125 Jahre Rerum Novarum
Montag, 16.05.2016
Gestern vor 125 Jahren wurde sie verkündet: Die „Mutter“ aller kirchlichen Äußerungen zum Thema Arbeit und Gerechtigkeit, Gesellschaft und Staat. Die am 15. Mai 1891 in Rom vorgestellte Enzyklika „Rerum novarum“ des „Arbeiterpapstes“ Leo XIII. ...
INFO: Papst Leo XIII. (1878-1903) veröffentlichte am 15. Mai 1891 seine Enzyklika „Rerum novarum“ – „Über die Arbeiterfrage“. Sie machte ihn nicht zuletzt in Deutschland überaus populär und ist Grundlage aller seitdem zum Thema erschienenen offiziellen Verlautbarungen der Kirche. Sein von vielen Seiten damals angefeindeter Standpunkt widersprach sowohl deutlich dem wilden Kapitalismus als auch dem radikalen Sozialismus: Ideologien, Gewalt und Aufstand, so Papst Leo, helfen nicht weiter, wenn es gegen soziale Ungerechtigkeit geht. Denn jeder Mensch habe nach geleisteter Arbeit schon das natürliche Recht auf gerechten Lohn. Revolution sei keine Lösung – gefragt sei eine gute staatliche Sozialpolitik, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Dazu gehörten auch der Schutz der Menschenwürde, das Recht auf Privateigentum, die Sonntagsruhe, der Schutz der Familie, Überwachung der Arbeitsverhältnisse besonders für Frauen und Kinder, Schutz und Rücksicht auf Wohlergehen, Alter und Geschlecht und vieles mehr, was uns heute selbstverständlich erscheint.Die „Magna Charta“ für die Entwicklung der Katholischen Soziallehre antwortete auf die dramatischen Veränderungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Art, die Entstehung von Klassengesellschaften und die Ohnmacht der Arbeiterschaft. Sie geht einen von Liberalismus und Sozialismus unabhängigen „Dritten Weg“. Der deutsche Text der Enzyklika „Rerum Novarum“ auf http://theol.uibk.ac.at/leseraum/quelltext/320.html.
Auf sie beziehen sich auch die folgenden Enzykliken „Quadragesimo anno“ von Pius XI. (1931), „Mater et magistra“ von Johannes XXIII. (1961) und „Octogesima adveniens“ von Paul VI. (1971), die jeweils am Jahrestag der Rerum Novarum Sozialenzykliken veröffentlicht wurden. Papst Johannes Paul II. nahm den 90. wie auch den 100. Jahrestag zum Anlass, ebenfalls Sozialenzykliken zu veröffentlichen: „Laborem exercens“ (1981) und „Centesimus Annus“ (1991). Papst Benedikt XVI. (2005-2013) legte 2009 unter dem Titel „Caritas in veritate“ (Die Liebe in der Wahrheit) grundsätzliche Feststellungen über die Folgen der Globalisierung und der Wirtschafts- und Finanzkrise für das menschliche Zusammenleben vor und bezog sich stark auf die 1967 erschienene Enzyklika „Populorum progressio“. Die aktuelle erste päpstliche „Umweltenzyklika“, die Papst Franziskus unter dem Namen „Laudato si“ veröffentlichte (2015) gilt als eine „grüne Sozialenzyklika“ und vertritt eine „ganzheitliche Ökologie“ aus der Sicht der Ärmsten. Denn über Umweltschutz, so Papst Franziskus, können man nicht sprechen, ohne soziale Gerechtigkeit, das globale Wirtschaftssystem, die Flüchtlingsproblematik und die Menschenrechte in den Blick zu nehmen. Enzykliken sind als päpstliche Lehrschreiben an die katholische Weltkirche, oft auch an „alle Menschen guten Willens“, also auch an Nichtkatholiken, gerichtet. Die Schreiben beanspruchen ein hohes Maß an Verbindlichkeit, werden in der katholischen Kirche als Ausdruck der obersten Lehrgewalt des Papstes verstanden, sind aber keine unfehlbaren Lehrentscheidungen im dogmatischen Sinn.
Unser Gesprächspartner: Prof. Dr. Joachim Wiemeyer, geb. 1954 in Bad Rothenfelde/Osnabrück, studierte Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft und Katholischen Theologie in Münster. Er ist seit dem 1.10.1998 Inhaber des Lehrstuhls für Christliche Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Er ist Dipl.-Volkswirt, wurde in Volkswirtschaftlehre promoviert, ist Lizentiat in Kath. Theologie und habilitierte sich 1997 im Fach Christliche Sozialwissenschaften (Kath. Theol.). Über das Institut für Genossenschaftswesen in Münster und das Institut für Christliche Sozialwissenschaften, die Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ bei der Deutschen Bischofskonferenz und die Kath. Fachhochschule Norddeutschland in Osnabrück & Vechta kam er 1998 nach Bochum und war 2000-2006 Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Professoren für Christliche Sozialethik in Deutschland. Er gehört zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften an. Die letzte Buchveröffentlichung von Joachim Wiemeyer: Keine Freiheit ohne Gerechtigkeit. Christliche Sozialethik angesichts globaler Herausforderungen, Freiburg im Breisgau: Verlag Herder 2015,303S., ISBN978-3-451-33713-0, ca. 24,99 Euro.
Kontakt: Ruhr-Universität Bochum, Katholisch-Theologische Fakultät, Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre, Tel. 0234/ 32-22615, Fax 0234 / 32-14461, Raum: GA 7/135, E-Mail: joachim.wiemeyer@rub.de, Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/cgl/