Weihnachten im Dienst für andere: Ehrenamtlich
Dienstag, 26.12.2017
Renate und Bettina gehören zu den bundesweit rund 8.000 Menschen, die sich ehrenamtlich in der Telefonseelsorge engagieren. Über Weihnachten haben beide Dienst und ein offenes Ohr für die Nöte und Ängste der Anrufer.
Bevor sie ihre Schicht bei der Bochumer Telefonseelsorge antreten, haben Renate und Brigitte zu Hause schon mit ihren Familien Weihnachten gefeiert. Je nachdem wie der Dienstplan ist, wird die Bescherung bei Renate auch schon mal vorgezogen, "damit genug Zeit für die Familie bleibt." So gestärkt geht es dann zum Dienst: "Wenn ich Weihnachten hierherkomme, ist der Raum schön geschmückt, es steht ne Tanne da, es steht ne Kerze da, es ist in der Regel ein Schälchen mit schönen Keksen bereit, also ich fühle mich schon beim Betreten der Telefonseelsorge willkommen und es ist eine schöne, feierliche Atmosphäre."
In den Gesprächen haben es die beiden ehrenamtlichen Telefonseelsorgerinnen dagegen oft mit harter und trauriger Realität zu tun. Viele Anrufer klagen über Einsamkeit, die ihnen gerade zu Weihnachten besonders zusetzt. Auch häusliche Gewalt, Familienstreit, Kränkungen und enttäuschte Erwartungen lassen Menschen zum Telefonhörer oder Handy greifen, sagt Renate: "Zum Beispiel eine Frau, die sich ganz besonders viel Mühe gegeben hat, ein wunderschönes Weihnachtsessen vorzubereiten und es wird dann nicht geschätzt von der Familie."
Die Telefonseelsorge – getragen von evangelischer und katholischer Kirche – ist rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr kostenlos erreichbar unter den Nummern 0800-1110111 oder 0800-1110222. Anrufen kann jeder, der ein Problem hat – Religionszugehörigkeit spielt keine Rolle. Auf Wunsch kann das Gespräch auch völlig anonym laufen, es ist und bleibt in jedem Fall vertraulich und gebührenfrei. Auch auf der Telefonrechnung taucht ein Anruf bei der Telefonseelsorge nicht auf. Im Jahr 2014 haben die meist ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Telefonseelsorge bundesweit über 1,8 Millionen Anrufe entgegengenommen.
Den Grundstein für die heutige Telefonseelsorge legte der Anglikanerpater Chad Varah, der 1953 in London eine Telefonnummer veröffentlichte, unter der man ihn bei Selbstmordabsichten anrufen sollte. Zuvor hatten schon der Baptistenpfarrer Harry Warren 1896 in New York und später der Baptistenpfarrer West in London ähnliche Angebote entwickelt. Aber Varah hatte als erster die Gelegenheit, die Arbeit kontinuierlich fortzuführen, gründete später die nationale Organisation "The Samaritans" und schließlich auch einen ersten internationalen Verband.
In Deutschland entstand die erste Telefonseelsorge 1956: Der Berliner Arzt und Pfarrer Klaus Thomas veröffentlichte am 5. Oktober 1956 eine private Telefonnummer für die "Ärztliche Lebensmüdenbetreuung"; das Wort Telefonseelsorge war noch nicht geboren. Heute ist die Telefonseelsorge bundesweit in 105 Städten vertreten. Die rund 200 hauptamtlich und 8.000 ehrenamtlich Mitarbeitenden sind ansprechbar für Krisensituationen jeglicher Art - sei es Trauer, Einsamkeit, Gewalterfahrung, Sucht oder Partnerschaftskonflikte. Mehr Infos und die Möglichkeit von Seelsorge per Internet und e-mail bietet http://www.telefonseelsorge.de/ Hier finden Sie auch eine Adressenliste aller Stellen, falls Sie sich für eine Mitarbeit bei der Telefonseelsorge interessieren.