INFO: (pbm/cb). Ein bisschen stolz und ein bisschen wehmütig blickt Linus Blum auf die graue Schalttafel, über die die Heizung des Xantener Doms gesteuert wird. Die ganze Anlage stammt aus den 1970er-Jahren, tut aber zuverlässig ihren Dienst. Bislang musste immer jemand die schmale Wendeltreppe in den Heizungskeller hinabsteigen, um die wuchtige Maschine ein- und auszuschalten. Das ist, dank der Tüftelei von Blum, nicht mehr nötig. Und seine Erfindung ist ein wichtiger Baustein, um die Kunstschätze im Dom vor schädlichen Klima-Einflüssen zu bewahren.
Gebäudeklima wird durch automatisierte Steuerung reguliert
Ein Jahr lang hat Blum ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Dombauhütte absolviert. In den vergangenen zwölf Monaten hat er eine Möglichkeit erfunden, mittels kleiner Motoren und einer einfachen Apparatur, vor Ort im 3D-Drucker hergestellt, die Schalter der Heizung ferngesteuert zu bedienen. Unterstützt wurde er dabei durch ein Team der Hochschule Rhein-Waal in Kamp-Lintfort unter Leitung von Professor Rolf Becker. Erfunden hat Blum zudem eine auf ähnlicher Basis funktionierende Möglichkeit, einige der Domfenster automatisch zu öffnen und zu schließen. Alle Komponenten sind so ausgelegt, dass sie auch wieder abgebaut werden können, um die die Anlagen weiterhin per Hand zu bedienen.
Die nun eingebaute Automatisierung aber ist, wie Dombaumeister Johannes Schubert betont, nicht nur eine Frage der Bequemlichkeit, durch die das Treppensteigen reduziert wird, sondern entscheidend dafür, dass ein anderes Projekt erfolgreich anläuft: Die Überwachung des Raumklimas im Xantener Dom mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI). Zwar messen schon seit 2019 zahlreiche Sensoren – entwickelt und immer wieder angepasst durch das HRW-Team von Professor Becker – Temperatur, Feuchtigkeit, Druck und weitere Parameter und geben so Auskunft über die aktuelle Situation. „Durch eine Ampel wird den Verantwortlichen, zum Beispiel den Küstern, dann angezeigt, ob ein Wert kritisch ist und gehandelt werden muss durch Lüften, Heizen oder Trocknen“, erklärt Schubert. Allerdings dauert es, die mehr als 40.000 Kubikmeter Luft, die der Dom umschließt, so zu steuern, dass alles wieder „im grünen Bereich“ ist. Denn sonst besteht die Gefahr, dass Feuchtigkeit an Wänden, Kunstwerken oder in den Textilien kondensiert und so Schimmel entsteht.
Gemeinsam mit den KI-Experten der niederländischen Software-Firma Datacadabra haben die Beteiligten ein Programm entwickelt, das einerseits auf die Sensor-Aufzeichnungen seit 2019 zurückgreifen kann und dazu auch die aktuellen Wetterprognosen auswertet. Daraus berechnet die KI, wie sich das Raumklima im Dom voraussichtlich entwickelt und im Idealfall durch frühzeitige Heizungs- und Fenstersteuerung negative Entwicklungen verhindern. Ties Traanman von Datacadabra erklärt: „Die KI lernt ständig dazu, jetzt ist es noch sehr warm, im Winter müssen wir Daten bei kaltem Wetter sammeln. Es wird also rund ein halbes Jahr dauern, bis die KI vollständig trainiert ist.“ Das zunächst einjährige Projekt wurde vom „Verein zum Erhalt des Xantener Doms“ in Auftrag gegeben und wird von der Euregio gefördert.
Xanten und sein Dom
Xanten ist Standort eines um 13/12 vor Christus errichteten Militärlagers „Vetera“, das nach 69/70 n. Chr. zum größten Legionslager nördlich der Alpen ausgebaut wurde und um 98 den Status einer Colonia erhielt. Nach der Blütezeit im 2. Jahrhundert und Aufgabe der „Colonia Ulpia Traiana“ entwickelte sich über frühchristlichen Märtyrergräbern eine Siedlung mit einer geweihten Kapelle. Aus ihr wurde das Stift „ad sanctos“, das dem Hl. Viktor geweiht wurde. Der Patron von Stadt und Dom soll als christlicher Legionär mit 330 weiteren Angehörigen der Thebäischen Legion im 4. Jahrhundert im Amphitheater Veteras hingerichtet worden sein. Weitere Heilige, die im Rheinland mit der Legion in Verbindung gebracht werden, sind der Hl. Gereon von Köln, Mallosus in Xanten, Gerebernus in Sonsbeck, Cassius und Florentius in Bonn und Mauritius in der Schweiz.
Die am Stift entstehende Siedlung fränkischer und friesischer Händler erhielt den Namen „Sanctos“, der über „Santen“ zu „Xanten“ wurde. Trotz der Einfälle der Wikinger konnte sich das unter kurkölnischer Herrschaft stehende Stift zur Stadt entwickeln: 1228 erhielt der Ort vom Kölner Erzbischof die Stadtrechte, 1263 wurde der Grundstein für den heutigen gotischen St. Viktor-Dom gelegt, das Grab des Patrons wurde Ziel von Wallfahrten. Öffentliche Umtragungen seiner Gebeine gehen auf das 12. Jahrhundert zurück: Die „Großen Viktortrachten“ mit dem rund 100 Kilo schweren Viktorschrein aus dem 12. Jahrhundert führten im zeitlichen Turnus von etwa 25 Jahren zu einer Zisterzienserinnenkloster an der legendenhaften Stätte des Martyriums am Fürstenberg. Zum jährlichen Patronatsfest werden die Reliquien des Hl. Viktor in einem kleinen Reliquiengefäß bei der „Kleinen Viktortracht“ durch die Stadt getragen. Die 1614 preußisch gewordene Stadt blieb über Jahrhunderte geistliches und wirtschaftliches Zentrum der Region.
Der 1936 durch Papst Pius XI. zur „Basilica Minor“ erhobene Dom wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut. In Krypta des Domes entstand mit der Erweiterung 1966 eine Mahn- und Sühnestätte für die Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes. Hier ruhen neben Urnen mit Asche aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Bergen-Belsen und Dachau die sterblichen Überreste des seligen Karl Leisner, von Heinz Bello und Gerhard Storm – alle drei Märtyrer, die für ihren Glauben gestorben sind. Darüber hinaus befindet sich seit 2006 auch eine Reliquie des seligen Kardinals Clemens August von Galen in der Krypta unter der Altarinsel.
Adresse: Dom St. Viktor, Kapitel, 46509 Xanten, April bis Oktober, Samstag 11.00 Uhr, Dauer 60 Minuten, Kosten: 4,00 € pro Person ab 15 Jahre, Treffpunkt: Tourist Information. Internet: http://www.sankt-viktor-xanten.de/wallfahrer-gaeste/st-viktor-dom/ , http://www.xantener-dom.de , Seite des Dombauvereins: www.xantener-dombauverein.de . Mehr: www.xanten.de . Video: Dom St. Viktor aus der Vogelperspektive, Archäologisches Freilichtmuseum APX: Internet: http://www.apx.lvr.de , www.apx.de .
Stifts-Museum Xanten: Das StiftsMuseum Xanten zeigt Zeugnisse der Geschichte von Dom, Viktorstift sowie der Geschichte der gesamten Region. International bedeutsame Reliquiengefäße, Altargeräte, Skulpturen, Gemälde und über 450 kunstvollen Textilien gehören zu den kostbaren Xantener Kirchenschätzen, die bis ins 5. Jahrhundert zurückgehen. Das Museum bewahrt auch den Nachlass des Priesters Karl Leisners, die Tagebücher, seinen Kelch und das priesterliche Gewand, das er beim Weihe-Gottesdienst im KZ trug, dazu viele persönlichen Dinge, die von Leisners Familie dem Stiftsmuseum überlassen wurden. Historische Fotos und große Schautafeln berichten aus Leisners Leben und über den zeitlichen Kontext. Adresse: StiftsMuseum Xanten, Kapitel 21, 46509 Xanten, Internet: https://www.stiftsmuseum-xanten.de/
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Dies ist ein Beitrag der katholischen Redaktion KiP-NRW für das Kirchenmagazin "Himmel & Erde" im NRW-Lokalfunk. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Chefredakteur Dr. Christof M. Beckmann | Redaktion KiP-NRW | 0208 - 46849961 | Mail: beckmann@kip-nrw.de- Schutz der Kunstschätze im Xantener Dom

