"Aachen fairwertet": neuer Nutzen für alte Kleider
Sonntag, 22.03.2020
Die Menge an Altkleidern, die jedes Jahr in Deutschland gesammelt wird, reicht für eine Schlange von 62.000 Lkw von Flensburg bis Innsbruck: eine Million Tonnen kommen da zusammen. Mit alten Klamotten lässt sich Geld verdienen – aber auch Gutes tun.
Das haben u.a. auch die Kirchen und Wohlfahrtsverbände in Aachen erkannt. Im Herbst 2016 gründeten sie das Bündnis AACHEN FAIRWERTET, um mit der Sammlung von Altkleidern soziale Projekte in der Stadt zu unterstützen. Im Stadtgebiet stehen inzwischen 45 Sammelcontainer bereit, die durch einen entsprechenden Aufkleber mit dem Namen des Bündnisses leicht zu erkennen sind. Eine Liste mit den Adressen der Standorte gibt es hier zum Download.
Initiiert wurde "Aachen fairwertet" vom Bistum Aachen, dem Aachener Katholikenrat und der Evangelische Kirche in Aachen. Um die praktische Umsetzung kümmern sich die Malteser, die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) und das Diakonische Netzwerk Aachen (WABe e.V.). Sie sorgen für die regelmäßige Leerung der Container sowie für die Sichtung und Sortierung der gespendeten Kleidungsstücke. Dabei kommen auch Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger zum Einsatz, die durch die regelmäßige Beschäftigung Wertschätzung erfahren und aktiv auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vorbereitet werden.
Erlöse erwirtschaftet das Projekt zum einen durch den Weiterverkauf gut erhaltener Kleidung im Second-Hand-Shop und zum anderen durch den Verkauf von Deko- und Gebrauchsartikeln, die aus den gesammelten Altkleidern hergestellt werden ("Upcycling"). In der hauseigenen Näherei schneidern Mechthild Jansen und ihre Mitarbeiterinnen zum Beispiel aus zerschlissenen Jeans und Anzughosen hippe Kleider. Alte Bademäntel werden in Streifen geschnitten und zu trendigen Badeteppichen umgearbeitet. Und ein alter Bettbezug erlebt seine Wiederauferstehung in Form niedlicher Deko-Osterhasen.
In seiner Arbeit orientiert sich das Bündnis "Aachen fairwertet" an den Standards, die der Dachverband "FairWertung" mit Sitz in Essen entwickelt hat. Wer wissen will, was mit seiner Kleiderspende passiert, kann sich dort informieren. Der Dachverband vergibt auch ein eigenes Gütesiegel – aber nur an seriöse Organisationen, die offen und transparent handeln. Unter den seriösen Sammlern finden sich zum Beispiel die Brockensammlung aus Bethel, die OXFAM-Shops, kirchennahe Organisationen oder auch Organisationen mit entwicklungspolitischem Hintergrund.
Wie bei den rein gewerblichen Sammlern werden auch die Kleidungsstücke dieser Sammlungen zum Teil an Textilverwerter bzw. Sortierbetriebe weiterverkauft. Es ist aber sichergestellt, dass die Weiterverwertung nach sämtlichen rechtlichen Normen stattfindet und auch ökologische und soziale Standards eingehalten werden. Und es gibt noch einen Unterschied: der gewerbliche Sammler steckt das Geld am Ende in die eigene Tasche. Bei den Gemeinnützigen fließt es zurück in die Arbeit des Vereins oder der Organisation.
Die Goldgräberstimmung in der Altkleiderbranche hat sich in jüngster Zeit allerdings deutlich eingetrübt. Das liegt zum einen an den stetig steigenden Sammelmengen: Wer keine großen Lagerkapazitäten hat, muss die gesammelten Kleidungsstücke zu fast jeden Preis verkaufen – und das drückt auf die Preise, die sich pro Tonne erwirtschaften lassen. Ein zweiter Grund ist die seit Jahren zurückgehende Qualität der Textilien.
Dazu heißt es auf der Internetseite von fashionunited.de: "Die Textildiscounter und Fast Fashion Anbieter bringen in immer schnelleren Zyklen Mode in zunehmend schlechterer Qualität auf den Markt, die immer schneller entsorgt werden muss. Billige Synthetik-Fasern und Mischstoffe sind für die weitere Verwendung jedoch nur sehr eingeschränkt nutzbar. (…) Sie eignen sich weder für den Second-Hand-Bereich noch für die Putzlappenherstellung oder die Faserrückgewinnung." Was nicht verwertet werden kann, muss am Ende kostenpflichtig entsorgt – sprich: verbrannt werden. Ausführliche Ínfos hier.