"Deutschland muss es mehr wissen als alle anderen"
Dienstag, 01.11.2022
Sie werden immer weniger: Die Menschen, die den Nazi-Terror und den Holocaust zwischen 1933 und 1945 überlebt haben und davon erzählen können. Einer von ihnen ist der heute 96jährige Gerhard Maschkowski, der seit 1947 in den USA lebt.
Doch seit 1969 kehrt der Sohn jüdischer Eltern etwa alle zwei Jahre nach Deutschland zurück, um hier bei Schulbesuchen oder Vortragsabenden seine Geschichte zu erzählen: Wie er schon als Kind von seinen Altersgenossen als „dreckiger Jude“ beschimpft wurde; wie er ab 1939 als Zwangsarbeiter in verschiedenen Arbeitslagern schuften musste; und wie er am 8. April 1943 verhaftet und ins KZ Auschwitz deportiert wurde.
Der Transport in Viehwaggons kommt am 20. April 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an. An der berüchtigten Rampe erfolgt gleich nach dem Aussteigen die Selektion: Frauen, Kinder und alte Menschen werden nach links „aussortiert“ – zum Abtransport in die Gaskammern und damit in den sicheren Tod. Junge, arbeitsfähige Männer und Frauen müssen sich rechts aufstellen und werden von dort ins Lager gebracht. Gerhard Maschkowski, damals 18 Jahre alt, wird in die rechte Reihe beordert, auf einen Lastwagen verfrachtet und ins gut sechs Kilometer entfernte Monowitz gebracht. Als Zwangsarbeiter muss er mithelfen, das Werk Monowitz III für die Firma IG Farben mit aufzubauen.
Als die Rote Armee zur Jahreswende 1944/45 immer weiter in Richtung Auschwitz vorrückt, sprengen die Deutschen die Krematorien und Gaskammern, um die Spuren ihrer Untaten zu verwischen. Die Lager in Auschwitz und Birkenau werden aufgelöst und die Gefangenen auf Todesmärsche durch den eiskalten Winter gezwungen. Bei einem dieser Märsche ist auch Gerhard Maschkowski dabei. Auf dem Weg Richtung Breslau bricht er irgendwann zusammen und will völlig entkräftet aufgeben. Er bittet seine Freunde, ihn liegen zu lassen, doch die heben ihn auf einen Karren und nehmen ihn mit.
In Breslau angekommen, versprechen sich die Freunde gegenseitig: Wer von uns überlebt, erzählt der Welt von den Lagern, den Gräueltaten der Nazis und den Entbehrungen auf den Todesmärschen. Nach der Befreiung Breslaus kommt Gerhard Maschkowski in ein Flüchtlingslager. Dort trifft er seine Eltern wieder, die das KZ Theresienstadt überlebt haben und lernt seine spätere Frau Ursula kennen. Sie wandern 1947 in die USA aus. Mit nur vier Dollar in der Tasche startet Gerhard Maschkowski in ein zweites und glücklicheres Leben. Er gründet eine Familie, handelt mit deutschen Autos und verdient viel Geld.
Seit vielen Jahren lebt Maschkowski in San Diego/Kalifornien. Aber sein Versprechen von damals hat er nie vergessen. 2020 war er zuletzt in Deutschland, um von der Verfolgung durch die Nazis und vom Holocaust zu erzählen, zu informieren und aufzuklären. Dazu sagte er in einem Interview: „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Deutschland muss es mehr wissem als alle anderen.“