"Equal Pay Day": Frauen arbeiten 77 Tage umsonst
Sonntag, 18.03.2018
Das Statistische Bundesamt hat für das Jahr 2016 eine Lohn- und Gehaltlücke zwischen Männern und Frauen von 21% ausgerechnet. Verdienen Frauen also im Schnitt rund ein Fünftel weniger als Männer? Ja und nein …
Von allen Seiten weitgehend unbestritten ist, dass es eine Lohnlücke zwischen Männern und Frauen – die sogenannte "Gender Pay Gap" – tatsächlich gibt. Daraus jedoch zu schließen, Frauen würden generell schlechter bezahlt, als ihre männlichen Kollegen, greift zu kurz. Denn Tarifverträge und das Diskriminierungsverbot lassen es grundsätzlich nicht zu, dass die Geschlechter innerhalb eines Betriebes oder einer Branche für dieselbe Tätigkeit unterschiedlich entlohnt werden.
Dass das Statistische Bundesamt dennoch eine Lohnlücke von 21% errechnet hat, liegt nach Angaben des Nachrichtenmagazins FOCUS an der generalisierenden Berechnungsgrundlage. Die Statistiker hätten den durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer und den der Frauen addiert und die Summe dann durch den durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer geteilt. Dass es unterschiedliche Branchen, Qualifikationen, Familienstände und auch Positionen innerhalb der Unternehmen gibt, sei in dieser Rechnung nicht berücksichtigt.
Derartige Faktoren sind allerdings in hohem Maße entscheidend und erklären letztlich auch die "Gender Pay Gap". Besonders wichtig: die viel zitierte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Noch immer sind es überwiegend die Frauen, die wegen der Kinder aus dem Beruf ausscheiden oder zumindest eine Zeitlang pausieren. Mütter, die drei Jahre zu Hause bleiben, verdienen nach Angaben der Bild-Zeitung "im Arbeitsleben durchschnittlich 83.000 Euro weniger als Kinderlose. Wer drei Jahre pausiert und drei Jahre Teilzeit arbeitet, hat bis zu 193.000 Euro weniger".
Hinzu kommt, dass sich nach wie vor nur relativ wenige Frauen (rund 20%) für eine Ausbildung und Karriere in besonders gut dotierten Berufszweigen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik entscheiden. Dafür sind sie in geisteswissenschaftlichen und erzieherisch-sozialen Bereichen sowie in einigen Ausbildungsberufen überrepräsentiert, wo aber vergleichsweise weniger bezahlt wird ("Frauenberufe"). Und schließlich: Frauen arbeiten oft in Teilzeit, was entsprechende Lohneinbußen mit sich bringt. Laut dem Sozialverband Deutschland (SoVD) ist "die Vollzeitquote von Frauen von 55 Prozent im Jahr 2001 auf 40 Prozent 2014 gefallen." Zu ähnlichen Befunden kommt auch die Initiative "Equal Pay Day", die sich in Deutschland seit 2008 für die Entgeltgleichheit von Männern und Frauen einsetzt (www.equalpayday.de). Der "Equal Pay Day" bezeichnet den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen wegen der Lohnunterschiede im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen quasi "umsonst" gearbeitet haben. Für 2018 liegen die entsprechenden Berechnungen bei 77 Tagen seit dem 1. Januar.
Berücksichtigt man allerdings die oben genannten Faktoren und vergleicht nur Frauen und Männer mit ähnlicher Erfahrung, Bildung und Position, dann schrumpft die Lohnlücke von 21 auf etwa sechs Prozent. Das ist zwar deutlich weniger, aber immer noch nicht befriedigend. "Warum", so fragt die Unternehmensberaterin Henrike von Platen in einem SPIEGEL-Interview, "verdient ein Müllwerker so viel mehr als eine Krankenschwester? Warum bekommt er eine Zulage für das Heben schwerer Lasten und die Altenpflegerin nicht? Es geht darum, zu diskutieren und nachvollziehbar zu machen, wie Arbeit bewertet wird. (…) Faire Bezahlung heißt: Gleiche und gleichwertige Arbeit müssen gleich vergütet werden."
Seit dem 6. Juli 2017 ist das sogenannte Entgelttransparenzgesetz in Kraft. Auf der Internetseite des BUND-Verlages gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen zu dem neuen Gesetz . Die von der damaligen Familienministerin Manuela Schwesig entwickelte Regelung soll die Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen beseitigen. Ab 2018 hat jede/r Beschäftigte Anspruch darauf, Informationen über die Vergütung eines ihm vergleichbaren Kollegen zu bekommen.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschland (kfd) schreibt dazu in einer Pressemitteilung vom 15.3.2018: "Wird die eigene Tätigkeit von mindestens sechs weiteren Personen des anderen Geschlechtes ausgeübt, kann zudem beim Betriebsrat oder Arbeitgeber die Höhe eines Vergleichsentgeltes erfragt werden. (…) Wie wirksam das Gesetz wird, will die Bundesregierung bis Juli 2019 überprüfen. Ein Jahr nach In-Kraft-Treten will sie einen Evaluationsbericht vorlegen, auf dessen Grundlage sie über mögliche weitere Schritte entscheidet. Denn das Gesetz erreicht nicht alle Frauen: Ein Großteil aller angestellten Frauen arbeitet in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten, für die das Gesetz nicht gilt. Außerdem müssen von ungleicher Bezahlung betroffene Arbeitsnehmerinnen selbst klagen. Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag deshalb festgehalten, für von Lohndiskriminierung betroffene Personen gezielte Beratungs- und Unterstützungsangebote bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu schaffen sowie Unternehmen zertifizierte Prüfverfahren zur Überprüfung von Entgeltgleichheit anzubieten."