„In allem ist ein Riss. So kommt das Licht herein“
Freitag, 18.04.2025

Dieses Foto von Takahiro Kyono zeigt Leonard Cohen bei einem Auftritt im „King's Garden“ (Odense, Dänemark) am 17. August 2013. (CC BY 2.0 | https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)
Die Songs des kanadischen Sängers und Songwriters Leonard Cohen (1934–2016) sind geprägt von seiner tiefen Stimme, poetischen Texten und einer Atmosphäre tiefer Melancholie. Dass seine Musik oft so schwermütig und dunkel klingt, ist kein Zufall.
Cohen kämpfte sein Leben lang mit depressiven Phasen, die sich oft in seiner Kunst widerspiegelten. Schon in jungen Jahren sprach er von „tiefer Melancholie“, die ihn begleitete, und suchte verschiedene Wege, um damit umzugehen. Geboren wurde Leonard Cohen als Sohn einer jüdischen Familie am 21. September 1934 in Westmount, einem Vorort von Montreal. Er begann seine künstlerische Laufbahn zunächst als Dichter und Romanautor und landete mit dem Kultroman „Beautiful Losers“ 1966 einen internationalen Bestseller. Danach wandte er sich der Musik zu und schuf mit Songs wie „Suzanne“, „Hallelujah“ und „Anthem“ Werke von zeitloser Schönheit und spiritueller Tiefe.
In den 1990er-Jahren zog er sich für mehrere Jahre in ein buddhistisches Kloster zurück, wo er Meditation als eine Form der inneren Heilung entdeckte. Trotz seiner spirituellen Praxis blieb die Dunkelheit ein wiederkehrendes Thema in seinen Liedern. Seine tiefe, raue Stimme und seine poetischen Texte machten ihn zu einer Ikone der Melancholie – aber auch der Hoffnung. Noch bis kurz vor seinem Tod veröffentlichte er Alben, die sich mit Vergänglichkeit, Liebe und göttlicher Gnade auseinandersetzten. Er verstarb am 7. November 2016, doch seine Lieder bleiben als Zeugnis eines Künstlers, der die Schönheit in der Dunkelheit suchte und fand. Trotz oder gerade wegen seiner inneren Kämpfe schuf Cohen Musik, die Millionen Menschen Trost spendete.
Das gilt auch und gerade für seinen Song „Anthem“ (deutsch: „Hymne“) aus dem Jahr 1992. Darin ist u.a. von christlichen Symbolen wie Glocken und Tauben die Rede. Hier findet sich auch die Liedzeile „There´s a crack in everything. That's how the light gets in.“ Im Deutschen würde man sagen: „In jedem Ding ist ein Riss, eine Beschädigung. Durch diesen Riss kann das Licht hineinscheinen.“ Cohen drückt damit eine tiefe menschliche Wahrheit aus: Niemand und nichts ist perfekt, doch gerade in unserer Gebrochenheit, in unseren Wunden und Schwächen, liegt die Möglichkeit für Transformation und Erleuchtung. Das Licht – ein Symbol für Hoffnung, Gnade oder göttliche Wahrheit – findet seinen Weg gerade durch unsere Brüche und Unvollkommenheiten.
Diese Worte laden dazu ein, unser eigenes Leiden und unsere Fehler nicht als bloße Mängel zu betrachten, sondern als Gelegenheiten für Wachstum, Erkenntnis und Heilung. Jeder Mensch erlebt Verluste, Krisen und Zerbrechlichkeit. Doch genau darin kann sich eine neue Tiefe, eine spirituelle Öffnung oder ein neuer Sinn offenbaren.
Übertragen auf Karfreitag und das Sterben Jesu Christi bekommt die Zeile eine noch tiefere Bedeutung. Das Kreuz ist das ultimative Symbol der „Risse“ in der Welt – der Schmerz, die Sünde, das Leid. Doch gerade durch dieses Leiden geschieht etwas Neues: Nach christlichem Glauben führt das Kreuz zur Auferstehung, zum Sieg des Lebens über den Tod. Jesu Wunden, seine „Risse“, werden zum Kanal der Erlösung für die Menschheit. So betrachtet kann man Cohens Worte als eine moderne Paraphrase der christlichen Hoffnung lesen: Durch das Zerbrechen alter Gewissheiten, durch Schmerz und Verlust kann Gottes Licht erst richtig wirken. Karfreitag zeigt, dass das Leiden nicht das letzte Wort hat – sondern dass durch den tiefsten Bruch die tiefste Gnade hindurchscheint.