"Man kann nicht allen helfen - es sind zuviele"
Sonntag, 25.08.2019
Mit dem Internationalen Tag der humanitären Hilfe am 19. August erinnern die Vereinten Nationen seit 2009 an die mutigen Männer und Frauen, die auf der ganzen Welt als humanitäre Helfer in Kriegs- und Katastrophengebieten im Einsatz sind.
Das Datum geht zurück auf einen Anschlag am 19.08.2003 in Bagdad, bei dem im dortigen UN-Hauptquartier 22 Menschen ums Leben kamen. Ein Blick auf aktuelle Zahlen zeigt: Humanitäre Helfer leben gefährlich. Allein in den vergangenen drei Jahren sind rund 800 humanitäre Helfer angegriffen worden, über 300 wurden im Einsatz getötet. Als humanitäre Helfer gelten nicht nur Ärzte und Krankenschwestern, sondern auch Lehrer, Fahrer, Ingenieure, Logistiker und viele andere Spezialisten aus unterschiedlichsten Bereichen. Mehr Infos zum Welttag der humanitären Hilfe hier.
In Deutschland wird die humanitäre Hilfe für das Ausland seit 1968 durch das Auswärtige Amt koordiniert. Die praktische Umsetzung überlässt der Staat aber Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel dem Roten Kreuz, der Diakonie Katastrophenhilfe, Caritas International oder den Johannitern. Auf deren Internetseite heißt es in einem Artikel vom 17. August 2018: "Noch nie waren weltweit so viele Menschen auf Nothilfe angewiesen: Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind es heute rund 134 Millionen Kinder, Frauen und Männer, die in 41 Ländern unverschuldet in Not geraten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Die größten humanitären Katastrophen spielen sich in den Ländern ab, in denen es für Helfer am gefährlichsten ist: Im Südsudan (…) in Syrien oder auch in der Demokratischen Republik Kongo."
Katharina Wittkowski ist seit acht Jahren als humanitäre Helferin im Einsatz, seit drei Jahren arbeitet sie für die Kinderhilfsorganisation PLAN International. In deren Auftrag ist die 35jährige aktuell gerade für vier Wochen als Teamleiterin im nordafrikanischen Mali: "Es gibt sehr viele terroristische Gruppen vor Ort und dadurch kommt es zu sehr vielen Gewaltausbrüchen und durch diese Gewaltausbrüche und diesen Terrorismus werden die Leute gerade vertrieben – also es gibt dieses Jahr doppelt so viel Vertriebene wie noch vor einem Jahr, die Hälfte von ihnen sind Kinder. Und die Gemeinden, die jetzt diese Vertriebenen aufgenommen haben, die sind natürlich auch am Limit angekommen."
Laut einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes (epd) vom 13. August 2019 verurteilt auch das UN-Kinderhilfswerk UNICEF die andauernde Gewalt und Gefährdung von Kindern in Mali: "Allein im ersten Halbjahr 2019 seien mehr als 150 Mädchen und Jungen getötet, 75 weitere verletzt worden. Gleichzeitig seien im Vergleich zu 2018 nach Erhebungen der Vereinten Nationen doppelt so viele Kinder in bewaffneten Gruppen im Einsatz. (…) Besonders gravierend sei die Situation im Norden und im Zentrum Malis. Zahlreiche Kinder seien in der Region Mopti getötet oder verletzt worden. Zudem hätten viele Mädchen und Jungen von ihrem Zuhause fliehen müssen oder seien von ihren Familien getrennt worden. Für mehr als 377.000 Kinder in Mali müssen nach Schätzungen von Unicef besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden."
Für PLAN International soll Katharina Wittkowski vor Ort deshalb vor allem Hilfsangebote für Kinder entwickeln: "Die allererste Aufgabe für mich wird eine Bedarfsanalyse sein, weil es ja einfach auch sehr wichtig ist, dass wir ein gutes Verständnis davon haben, was brauchen die Leute? Und basierend darauf können wir dann auch unseren Nothilfeplan aufbauen." Im Rahmen ihrer bisherigen Einsätze ist die gebürtige Polin, die in Bottrop aufgewachsen ist, schon viel herumgekommen. Als Helferin war sie schon in Somalia, im Süd-Sudan, in Serbien, im Irak und zuletzt anderthalb Jahre in Nigeria im Einsatz.
Dort wie in vielen anderen Gebieten gab und gibt es auch für die humanitären Helfer eine latente Bedrohung durch Krieg, Gewalt oder Terror. In Nigeria zum Beispiel hat Katharina Wittkowski die Angriffe der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram hautnah miterlebt. Weibliche Helfer sehen sich aber auch noch anderen Gefahren ausgesetzt – etwa sexuellen Übergriffen und Belästigungen. Und in bestimmten Regionen gestaltet sich auch die Zusammenarbeit mit den Hilfsbedürftigen und den lokalen Helfern vor Ort schwierig. Katharina Wittkowski hat erlebt, dass Männer sich aus kulturellen oder religiösen Gründen weigerten, mit ihr zu sprechen oder sie auch nur anzusehen.
Trotzdem hat sie ihre Berufswahl noch nie bereut: "Das ist eigentlich ein Beruf, den ich schon immer machen wollte; ich hab gesehen, was in der Welt passiert und das hat mich immer sehr beschäftigt (…) und ich glaube auch daran, dass jeder seinen Teil beitragen kann. Und ich möchte helfen, indem ich wirklich vor Ort bin." Aus ihrer langjährigen Erfahrung weiß Katharina Wittkowski aber, dass es immer wieder auch Rückschläge und Niederlagen geben kann: "Manchmal möchte man den Glauben an die Menschheit verlieren, weil man kann nicht begreifen, was für grausame Dinge passieren, gerade mit Kindern, mit jungen Mädchen. Ich glaube, dass man langfristig auch lernen muss, dass man nicht jedem helfen kann, denn es (…) sind einfach viel zu viele. (…) und es ist wichtig, dass man auch lernt, sich auf das Gute zu konzentrieren, auf die Leute zu schauen, denen man helfen konnte, um da einfach auch positiv zu bleiben."