„Schlag deine Meinung an die Kirchentür“
Sonntag, 14.06.2020
Martin Luther hätte an dieser Aktion zweier Wittener Kirchengemeinden wohl seine helle Freude gehabt. Mit einer Umfrage zur Corona-Pandemie haben sie „dem Kirchenvolk auf´s Maul geschaut“ und spannende Antworten zutage gefördert.
Nach Angaben des Wittener Pfarrers Carsten Griese haben sich insgesamt 241 Gemeindeglieder an der Umfrage beteiligt. Neben den eigens dafür verteilten Postkarten mit drei Fragen stellten die Gemeinden auch einen etwas ausführlicheren Fragenkatalog ins Internet. Gut 80 Menschen hängten ihre Postkarte samt Antworten an die Kirchentür, weitere 160 nutzen die Online-Umfrage. Die jüngste Teilnehmerin war acht Jahre alt, der älteste 82. „Wir haben die Aktion Anfang Mai gestartet und Anfang Juni abgeschlossen“, so Griese. „Momentan sind wir dabei, die Antworten thematisch zu sortieren und auszuwerten.“
Sowohl in der Online-Umfrage als auch auf den Postkarten waren drei Fragen zentral: „Was hat dir die Corona-Pandemie bewusst gemacht?“ - „In welchen Lebensbereichen sollten wir in Zukunft umdenken?“ und „Was möchtest du dazu beitragen?“ Dazu schrieb eine 24jährige Frau: „Mir hat die Pandemie bewusst gemacht, wie vernetzt und wie abhängig die globale Gemeinschaft ist. Außerdem, dass wir als Menschheit verwundbar sind und einige Dinge außerhalb unserer Kontrolle liegen. Auch wie anfällig manche Menschen gegenüber Verschwörungstheorien sind, dass sie immer eine Begründung und einen Schuldigen brauchen." Zu den Fragen 2 und 3 schrieb die junge Frau, sie wolle sich für eine ordentliche Medienbildung an den Schulen einsetzen und gegen Desinformation und Fake News vorgehen.
In vielen Antworten formulierten die Teilnehmer der anonymen Umfrage, wie wichtig ihnen während der Krisenzeit Familie, Freunde und soziale Kontakte waren und sind. Vor allem die gemeinsam verbrachte Zeit mit der Familie wurde von vielen positiv erlebt und geschätzt. Überhaupt sei „Zeit“ häufig thematisiert worden, erzählt Pfarrer Carsten Griese: „Viele schrieben, dass es schön war, dass der Termindruck plötzlich wegfiel. Eine 34jährige will in Zukunft Freizeitstress reduzieren. Eine 69jährige Frau schrieb: »Wie viel Positives wir für uns und die Umwelt tun, wenn wir nichts tun«".
Auch in vielen anderen Antworten und Online-Beiträgen seien die drohende Klimakatastrophe und die Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen angesprochen worden. Viele gaben an, ganz konkret etwas tun und ihr Konsumverhalten überdenken zu wollen. Auffällig war außerdem, wie viele Teilnehmer über die fehlende Wertschätzung für systemrelevante Berufe klagten.
Die beiden evangelischen Kirchengemeinden Annen und Rüdinghausen wollen die Rückmeldungen noch weiter auswerten und ein Dokumentation erstellen. Außerdem ist eine Zukunftskonferenz geplant, so Carsten Griese: „Wir wollen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Umfrage die Ideen und Anregungen weiterentwickeln und gemeinsam überlegen, was wir als Kirchengemeinde zusammen mit den Menschen vor Ort umsetzten können.“