„Seid fruchtbar“: Sex und Erotik in der Bibel
Sonntag, 07.07.2024
Sex und Erotik sind in der Bibel weit mehr als nur Randthemen. Sie spielen eine bedeutende Rolle in den Geschichten und Lehren der Heiligen Schrift und bieten Einblicke in das Verhältnis zwischen Menschlichkeit, Göttlichkeit und Moral.
Bereits in den ersten Kapiteln der Bibel begegnet uns das Themen Sexualität. In der Schöpfungsgeschichte (1. Buch Mose, Kapitel 1) segnet Gott das erste menschliche Paar und fordert Adam und Eva auf: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.“ Dieser göttliche Auftrag zeigt die positive Bewertung der Fortpflanzung und impliziert die Notwendigkeit sexueller Vereinigung. Nur ein kleines Stückchen weiter im Text wird die Erschaffung Evas aus Adams Rippe beschrieben. Dies führt zur ersten biblischen Erwähnung der ehelichen Einheit: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein. Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und schämten sich nicht.“ (1. Buch Mose, Kapitel 2). Hier wird die intime Verbindung zwischen Mann und Frau hervorgehoben, die über die bloße Fortpflanzung hinausgeht.
Dass diese Verbindung bedeutsam ist und von Gott gewollt und gesegnet wird, zeigt sich später im Neuen Testament. Im Markus-Evangelium (Kapitel 19, Vers 6) wiederholt Jesus im Gespräch mit den Pharisäern die Worte aus dem Alten Testament und ergänzt: „So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!“ Die Pharisäer verweisen daraufhin auf Regelungen aus dem Alten Testament, wonach ein Mann seiner Frau einen Scheidebrief geben kann, um sich von ihr zu trennen. Darauf antwortet Jesus: „Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, eures Herzens Härte wegen; von Anfang an aber ist’s nicht so gewesen. Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Unzucht, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe.“
Ehebruch und Verführung werden in der Bibel als Sünde und moralische Verfehlung im Zusammenhang mit Sexualität behandelt. In den Zehn Geboten (2. Buch Mose, Kap. 20, Verse 1–17) heißt es eindeutig: „Du sollst nicht ehebrechen.“ Die biblische Geschichte von David und Bathseba illustriert die schweren Konsequenzen des Ehebruchs. König David sieht die schöne Bathseba baden und lässt sie zu sich bringen, obwohl sie mit Uria verheiratet ist. Dies führt zu einer Kette von Sünden, einschließlich Mord und Tod. David schwängert Bathseba, will das Kind aber anschließend Uria unterschieben. Als das misslingt, schickt David seinen Konkurrenten bei der nächsten Schlacht in die vorderste Reihe, damit er dort fällt. Und genau das geschieht. Nachdem die Trauerzeit Bathsebas vorüber ist, nimmt David sie zur Frau. Wenig später stirbt das im Ehebruch gezeugte Kind – eine Strafe für Davids Verbrechen und Versagen.
Noch drastischer und skandalöser sind die biblischen Geschichten über die beiden Städte Sodom und Gomorrha. Unzucht, Vergewaltigung und Inzest waren hier an der Tagesordnung. Dieses ausschweifende und sündige Leben wurde von Gott bestraft, indem er beide Orte durch Feuer und Schwefel völlig zerstörte. Die einzigen Menschen, die er vor der Vernichtung warnte und zur Flucht antrieb, war Lot mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Als Lots Frau sich verbotenerweise auf der Flucht umschaut und auf das brennende Sodom blickt, erstarrt sie zur Salzsäule. Lot flieht mit seinen Töchtern in eine Höhle. Wie und warum es dort zwischen dem Vater und den beiden Mädchen zum Inzest kommt, kann man hier nachlesen.
Wie man es „richtig“ macht, indem man die göttlichen Gebote befolgt, zeigt die Geschichte von Josef und der Frau des Potifar (1. Buch Mose, Kap. 39): Josef, der von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde, dient als Sklave im Haus des Potifar, einem hohen ägyptischen Beamten. Potifar erkennt Josefs Fähigkeiten und setzt ihn als Verwalter über sein ganzes Haus ein. Potifars Frau jedoch findet Gefallen an Josef und versucht wiederholt, ihn zu verführen. Josef, der seiner Pflicht und seinem Gott treu bleiben will, lehnt ihre Annäherungsversuche konsequent ab. Eines Tages, als sie ihn erneut bedrängt und er sich weigert, reißt sie ihm sein Gewand vom Leib, und er flieht. Daraufhin beschuldigt sie Josef fälschlicherweise des versuchten sexuellen Übergriffs. Potifar, erzürnt über die vermeintliche Tat, lässt Josef ins Gefängnis werfen. Doch auch dort bleibt Gott mit Josef, der sich durch seine Integrität und Weisheit bald wieder auszeichnet und eine verantwortungsvolle Position erhält.
Der wohl bekannteste Abschnitt der Bibel zum Thema Erotik und Liebe ist das Hohelied Salomos (auch bekannt als das Lied der Lieder). Es beschreibt die leidenschaftliche Liebe zwischen einem Mann und einer Frau in poetischen und oft sinnlichen Bildern. Die Verse sind voller Metaphern und Vergleiche, die die Schönheit und Anziehungskraft der Liebenden feiern. Ein Beispiel ist Hohelied 4:5: „Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitze, Zwillinge einer Gazelle, die unter den Lilien weiden.“ Das Hohelied wird oft als allegorische Darstellung der Liebe Gottes zu seinem Volk Israel oder Christus' zu seiner Kirche interpretiert. Dennoch bleibt der explizite erotische Inhalt unübersehbar und zeigt, dass die Bibel auch die körperliche Liebe als wertvoll und heilig anerkennt.
Die Auseinandersetzung mit sexueller Moral wird im Neuen Testament fortgesetzt, insbesondere in den Briefen des Apostels Paulus. In 1. Korinther 6:18-20 fordert Paulus die Gläubigen auf, sexuelle Unmoral zu meiden: „Flieht die Unzucht! Jede Sünde, die ein Mensch begeht, bleibt außerhalb des Leibes; wer aber Unzucht treibt, sündigt gegen den eigenen Leib.“ Paulus betont die Heiligkeit des Körpers als Tempel des Heiligen Geistes und ruft zur sexuellen Reinheit auf.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Sex und Erotik in der Bibel sind komplexe Themen, die sowohl die Schönheit und Heiligkeit der menschlichen Sexualität als auch die moralischen Herausforderungen und Sünden beleuchten. Von den frühen Schöpfungsgeschichten über die leidenschaftliche Poesie des Hohenlieds bis hin zu den moralischen Lehren des Neuen Testaments zeigt die Bibel eine vielfältige und vielschichtige Sicht auf Sexualität. Sie lädt die Leser ein, die körperliche Liebe in einem Rahmen zu verstehen, der sowohl göttlich als auch menschlich ist.