Adventskalender im Wandel der Zeiten
Sonntag, 01.12.2013
Was wäre der Countdown zum Heiligen Abend ohne Adventskalender? Die Urform dieser "Abzählhilfe" lässt sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, als vor allem in evangelischen Haushalten 24 Bilder mit christlichen Motiven aufgehängt wurden – jeden Tag eines, um den Kindern die Weihnachtsgeschichte nahe zu bringen und sie gleichzeitig zu Geduld und Beherrschung zu ermahnen. Den gleichen Zweck erfüllten 24 Kreidestriche an Wänden oder Türen, von denen die Kinder jeden Tag einen Strich wegwischen durften, oder auch "Adventskerzen", die pro Tag bis zur jeweils nächsten Markierung abgebrannt werden durften.
Erste Schritte zum Adventskalender heutiger Prägung wurden Anfang des 20. Jahrhunderts unternommen. So erschien 1902 in einem evangelischen Hamburger Verlag eine "Warteuhr für Kinder", die allerdings immer erst ab dem 13. Dezember zum Einsatz kommen konnte. 1904 entstand in München ein Kalender mit dem Titel "Im Lande des Christkinds" – eine Werbeaktion, heute würde man sagen: ein "give-away". Es war schließlich Gerhard Lang, ein Druckereibesitzer, der den wohl ersten gedruckten Adventskalender herausbrachte. Türen hatte dieser Kalender noch nicht – die Kinder konnten bunte Bilder aus einem Ausschneidebogen "schnibbeln" und sie anschließend – ähnlich wie Briefmarken – auf einen kräftigen Karton kleben. Erst ab 1920 kamen Adventskalender mit Türchen auf den Markt, hinter denen sich zunächst bunte Bilder und später dann auch Schokolade verbargen.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Adventskalender durch die industrielle Produktion und die einsetzende Auslandsnachfrage zu einem Massenprodukt, das heute vielerlei Formen angenommen hat. Neben Kalendern mit und ohne Schokoladenfüllung gibt es auch solche mit Spielzeug, außerdem Selbstgemachte, die mit individuellen Geschenken bestückt sind und natürlich auch virtuelle Adventskalender, bei denen man jeden Tag ein Türchen im Internet öffnen kann. Christlich-biblische Bildmotive sind selten geworden. Statt dessen prangen auf den Kalendern Weihnachtsmänner oder Tiere, denn die lassen sich in Europa und den USA genauso gut verkaufen, wie in Asien.
Eine besondere Form erfreut sich seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit: der "lebendige Adventskalender", der z.B. von Nachbarschaften eines Stadtteils organisiert wird. Dazu braucht man nur etwas Organisationstalent und natürlich 24 Mitstreiter, die bereit sind, während der Adventszeit jeweils ein Fenster der eigenen Wohnung als "Kalendertürchen" zu gestalten. Die einzelnen "Türchen" können in einem einzigen Straßenzug liegen, über ein ganzes Dorf oder einen Stadtteil verteilt sein. Wichtig ist ein "Ablaufplan", aus dem hervorgeht, wo an welchem Tag und wann das jeweilige "Türchen" geöffnet wird. Dieser Terminplan sollte dann über die örtliche Tageszeitung, Anzeigenblätter oder auch den Gemeindebrief bekannt gemacht werden. Denn ein Ziel des "lebendigen Adventskalenders" ist es, in der Adventszeit Menschen zueinander zu bringen und sich gemeinsam jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zu nehmen zum Feiern, Singen und Kennen lernen.
Als Mitstreiter engagieren sich vielerorts vor allem Familien, es kommen aber auch örtliche Vereine, Kulturzentren, Jugendtreffs, Gemeindehäuser, Gaststätten oder Kindergärten in Frage. Jeder, der mitmacht, übernimmt für einen Tag der Adventszeit die Gestaltung eines Fensters, das bis zum "Tag X" auch verhüllt bleiben sollte. Wenn es dann soweit ist, versammeln sich alle Mitstreiter und natürlich gerne auch weitere spontane Gäste vor dem Haus oder der Wohnung, um die feierliche "Türöffnung" mitzuerleben. Dies geschieht möglichst immer zur gleichen Zeit, meistens in den frühen Abendstunden, wenn es bereits dunkel und entsprechend stimmungsvoll ist. Zu einer gelungenen "Türöffnung" gehört auch ein kleines "Rahmenprogramm" für das Publikum – also z.B. Livemusik mit Weihnachtsliedern, Gedichte, Kekse, Kakao, Kaffee, Glühwein ... der Phantasie sind hier im Grunde keine Grenzen gesetzt.
Tipp: Im Stadtmuseum Münster ist bis zum 5. Januar 2014 eine Ausstellung mit rund 30 Adventskalendern aus den vergangenen Jahrzehnten zu sehen. Das älteste Exemplar stammt von 1935, außerdem gibt es hinter den Türen eines "Info-Adventskalenders“ Interessantes über die Geschichte des Adventskalenders zu entdecken. Das Stadtmuseum ist Dienstag bis Freitag jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet, samstags sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr (Heiligabend, 1. Weihnachtstag und Silvester geschlossen).