800 Jahre: Der Sonnengesang des Franziskus

von Johanna Risse

Sonntag, 06.10.2024

Platzhalterbild
Beitrag anhören

Collage: KIP

Er ist der erste große Singer/Songwriter der Weltgeschichte: Im Winter 1224/1225 dichtete der schon schwer kranke und fast blinde Franziskus nahe bei Assisi seinen Sonnengesang. Ein Lied, das schon zu seiner Zeit immerhin einen echten Krieg verhinderte...

INFO: Vor 800 Jahren hat der heilige Franziskus sein wohl bekanntestes Gebet und Lied verfasst: Schon von den Wundmalen Christi gezeichnet und fast blind, dichtete er im Winter 1224/1225 - in der Umgebung des Klosters San Damiano nahe Assisi seinen Sonnengesang. Als ein Streit zwischen dem Bischof von Assisi und dem Bürgermeister ausbrach, wird überliefert, habe Franziskus die 8. Strophe über Versöhnung und Frieden verfasst und Mitbrüder gebeten, sie den beiden vorzusingen; dadurch sei der Konflikt beigelegt worden. Die Strophe gilt als Ausdruck seiner grundsätzlichen Glaubenshaltung, die in Armut, in Anfeindung, Hingabe, Leiden und „Ertragen in Frieden“ einzuüben versucht.

„Laudes Creaturarum“: Mit den Anfangsworten „Laudato si“ – zu Deutsch: „sei gepriesen“ - spielt die Umweltenzyklika von Papst Franziskus auf den wohl bekanntesten Text des heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226) an: den „Sonnengesang“ oder die „Laudes Creaturarum“. Die acht zentralen Strophen rufen mit dem wiederkehrenden „Sei gepriesen, mein Herr“ zum Lob Gottes durch die Schöpfung auf. Genannt werden, jeweils mit einer lyrischen Charakterisierung, „Bruder Sonne“ und „Schwester Mond“, „Schwester Wasser“ und „Bruder Feuer“ sowie „Mutter Erde“ und andere Erscheinungsformen der geschaffenen Welt.
Franziskus verfasste den Sonnengesang in schwerer Krankheit, vermutlich zwei Jahre vor seinem Tod. Dabei erscheint die Natur entgegen einer damals verbreiteten Weltverachtung nicht gezeichnet von Sünde und Vergänglichkeit, sondern positiv als Medium der Selbstmitteilung Gottes. Zugleich spiegelt sich in der Hinwendung zu den Elementen und kosmischen Mächten die Geringschätzung des „Armenapostels“ Franz gegenüber materiellen Gütern: Erde, Wasser, Luft und Feuer preisen Gott, nicht staunenswerte Kostbarkeiten. Ähnlich familiär wie von den „Geschwistern“ der Geschöpfe sprach Franziskus auch von seiner „Frau Armut“.
Fern einer modernen Naturromantik oder einer Vergöttlichung der Natur lenkt Franz von Assisi den Blick über die Geschöpfe auf deren Schöpfer. Darin steht sein Text den Schöpfungspsalmen oder dem „Gesang der Jünglinge im Feuerofen“ im Alten Testament nahe (Daniel 3). Obwohl ein Gebet, ist der „Sonnengesang“ auch ein literaturgeschichtlich bedeutender Text. Franziskus verfasste ihn in seinem umbrischen Dialekt; er gilt als ältestes Werk der italienischen Literatur. (KNA)

Franziskus von Assisi: Der Gründer des christlichen Franziskanerordens (Ordo Fratro Minorum, OFM) hieß ursprünglich Giovanni Bernardone (* um 1181/1182 in Assisi, Italien, † 3. Oktober 1226 in Portiuncula bei Assisi) und war Sohn eines reichen Tuchhändlers. 1202 wurde er im Krieg der Stadt Assisi gegen Perugia gefangen genommen. Nach schwerer Krankheit und langer Genesung während der Gefangenschaft bekehrte er sich bei der Pflege von Aussätzigen. Immer wieder zog er sich in die Einsamkeit zurück, um den Willen Gottes zu erspüren und fand dessen vielfältige Weisen der Liebe in der Schönheit der Schöpfung. Er beschloss, das Evangelium buchstäblich zu verwirklichen und ein Leben in völliger Armut zu führen. Er wählte das Leben als Einsiedler, dem sich im Laufe der Zeit immer mehr junge Männer anschlossen. 1210 bat Franziskus mit seinen Gefährten in Rom beim Papst um die Bestätigung der Regel ihrer Armutsbewegung zu erbitten. In der Zeit der Kreuzzüge reiste Franziskus 1219 als Missionar bis Palästina und schloss sich dort dem Kreuzfahrerheer an, das auf dem Weg nach Ägypten war. In der Nähe von Damiette an der Nil-Mündung predigte er im Lager des muslimischen Heeres vor dem Sultan Al-Kamil, um Frieden zu erreichen. Der Sultan schenkte Franziskus zwar ein Signalhorn und war sehr beeindruckt von der Begegnung mit dem Bettelmönch, doch Franziskus konnte die bevorstehende Schlacht nicht verhindern und der Kreuzzug insgesamt wurde fortgeführt. Franziskus starb am Abend zum 4. Oktober 1226 und wurde bereits 1228 von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Seit 1230 liegen seine Gebeine in einem Sarkophag in der Unterkirche von San Francesco in Assisi. Franz von Assisi wurde von der katholischen Kirche zum Patron der Umweltschützer und Ökologen erhoben. In dieser Tradition steht die 1995 gegründete Franz von Assisi-Akademie zum Schutz der Erde (http://www.faape.org/). Weltweit gibt es heute rund 15.000 Minderbrüder in 103 Provinzen und sind bis heute in der Kirche die größte Ordensfamilie. Weltweit leben schätzungsweise eine Million Schwestern und Brüder nach der franziskanischen Spiritualität. Mehr: http://www.franziskaner.de/

Orden der Franziskaner in Deutschland: Die von Franziskus ins Leben gerufene Bruderschaft wurde mit der Anerkennung durch Papst Innozenz III.(1209/10) und der Bestätigung der endgültigen Regel (1223) zum Orden der Minderen Brüder (Ordo Fratrum Minorum, OFM). Die ersten Mitglieder kamen bereits 1217 - noch zu Lebzeiten des Heiligen Franziskus - über die Alpen, wurden aber zurückgewiesen, weil man sie mit ihren mangelnden Sprachkenntnissen für Ketzer hielt.
Der zweite Versuch war erfolgreicher: 1221 erreichten die ersten 25 Brüder die zukünftige Provinz Teutonia. Leiter der internationalen Expedition aus 12 Klerikern und 15 Laien war Cäsarius von Speyer, mit deutscher Sprache und Mentalität vertraut, ein enger Gefährte von Franziskus. Sie wurden nach einer dreimonatigen Vorbereitungszeit an Pfingsten 1221 an der Portiuncula-Kapelle in Assisi ausgesandt und erreichten am 16. Oktober 1221 Augsburg. Von hier aus gründeten die Brüder mit der Erlaubnis zur Predigt erste Niederlassungen vor allem in den großen städtischen Zentren und entfalteten dabei eine große Expansionskraft. Sie gingen nach Würzburg, Regensburg, Salzburg, Mainz, Worms, Speyer und Straßburg und am 30. November 1221 brachen Brüder von Würzburg nach Köln auf, das schnell zum Zentrum der ursprünglich einzigen deutschen Provinz wurde. Hildesheim, Braunschweig, Halberstadt, Goslar und Magdeburg wurden 1223 erreicht, 1224 Erfurt und Bremen, 1225 Lübeck, 1230 Hamburg und kurz danach Riga. Schon 1230 teilte man die Provinz Theutonia in die Rheinische und Sächsische Provinz, 1239 wurde die Rheinische in die Provincia Argentina (Oberdeutsche Provinz mit Sitz in Straßburg) und die Provincia Colonia (Niederdeutsche Provinz mit Sitz in Köln) aufgeteilt.

Sie wiederum bestand ab dem Generalkapitel von 1260 aus den sieben Kustodien Köln, Trier, Hessen, Westfalen, Holland, Deventer und Brabant. Mit 80 Klöstern war sie bereits 1282 nach der Aquitanischen die zweitgrößte Provinz des ganzen Ordens, zum Ende des 13. Jahrhunderts sind im deutschsprachigen Raum rund 200 Konvente dokumentiert. Mehr: http://www.franziskaner.de/

Franziskanerkloster und Hilfswerk „Franziskaner Helfen“: Der Konvent in Bonn wurde 1969 für die Ansiedelung der Missionzentrale der Franziskaner errichtet (heute „Franziskaner Helfen“). 50 Jahre nach der Gründung fördert Franziskaner Helfen jährlich über 700 Projekte in 65 Ländern. Diese konzentrieren sich auf die Bereiche soziale Entwicklung, Bildung, Menschenrechte, Umwelt und Kirche. Insgesamt sind mehr als 220.000 Franziskanerinnen und Franziskaner in rund 110 Ländern der Welt im Einsatz, um mit den Bedürftigen zu leben, zu arbeiten und zu helfen. So konnten in den vergangenen 50 Jahren über 17.000 Hilfsprojekte mit einem Fördervolumen von mehr als 350 Millionen Euro unterstützt werden. Das Haus steht unter der Leitung der Mitteleuropäischen Provinzialenkonferenz (COTAF) und gehört ordensrechtlich zum Gebiet der deutschen Franziskanerprovinz.

Kontakt: „Franziskaner Helfen“, Gangolfstr. 8 – 10, D-53111 Bonn, Postfach 76 60, D-53076 Bonn, Tel.: + 49 228 / 9 53 54-0, Fax: +49 228 / 9 53 54-40, E-Mail: post@franziskaner-helfen.de, Internet: franziskaner-helfen.de. Spendenkonto Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE83 3705 0198 0025 0014 47, BIC: COLSDE33XXX.

Unser Gesprächspartner: P. Prof. Johannes B. Freyer OFM, Referent für franziskanische Grundsatzfragen, Tel. 0228 / 95 35 40, E-Mail: bildung@franziskaner-helfen.de. Franziskanerkonvent Bonn, Gerhard-von-Are Straße 1, 53111 Bonn, Mail: bonn@franziskaner.de. Internet: https://franziskaner.net/haeuser/bonn/

Video: In vier Videos erläutert Pater Prof. Johannes B. Freyer OFM die einzelnen Strophen des Sonnengesangs. Den ersten Teil gibt es hier, die anderen Videos folgen in Serie auf der Homepage, bei Facebook, Instagram, LinkedIn und youtube.

Symposium am 24. Oktober 2024 in Bonn: Anlässlich des 800-jährigen Jubiläums des Sonnengesangs des Franz von Assisi veranstaltet die Franziskanische Zukunftswerkstatt“ am 24.10.2024 in Bonn einen abwechslungsreichen Abend mit Lyrik, musikalischen Darbietungen und inspirierenden Einblicken zum Sonnengesang. Er steht unter dem Titel „Unsere lebendige Erde. Der Sonnengesang des Franz von Assisi - Eine Ressource für unsere Zeit?“ und beginnt um 18 Uhr im Bonner LVR-Landesmuseum, Colmantstr. 14-16, 53111 Bonn. Im Programm sind eine poetische Lesung der Schriftstellerin und Literaturprofessorin Ulrike Draesner, ein Vortrag des Kapuziners und Historikers Br. Niklaus Kuster und Jazz-Vertonungen des Matthias Petzold Jazz-Trio Die Veranstaltung findet statt im LVR-Landesmuseum. Die kostenlosen Tickets sind bereits vollständig vergriffen, doch kann man den Abend online auf dem YouTube-Kanal verfolgen. Hier für die Übertragung registrieren: https://pretix.eu/FranziskanerHelfen/Stream/

Sonnengesang des Franziskus

Höchster, allmächtiger, gütiger Herr, Dein sind Lob und Herrlichkeit und Ehre und aller Segen. Dir allein, Erhabenster, gebühren sie, und kein Mensch ist würdig, Deinen Namen zu nennen.

Gelobt seist Du, mein Herr, mit allen Deinen Geschöpfen, besonders der Schwester Sonne, die den Tag bringt und durch die Du uns das Licht gibst. Und schön ist sie und strahlt in hellem Glanz; Deine Größe, o Höchster, verherrlicht sie.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch Bruder Mond und die Sterne; so leuchtend und klar und schön hast Du sie am Himmel erschaffen.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken und heiteres und jedes Wetter, durch welche Du Deine Geschöpfe am Leben erhältst.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch Schwester Wasser, die gar nützlich ist und demütig und keusch.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch Bruder Feuer, durch welchen Du die Nacht erhellst, und er ist schön und lustig und gewaltig und wild.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, welche uns trägt und ernährt und allerlei Früchte wachsen lässt und bunte Blumen und Kräuter.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch jene, welche aus Liebe zu Dir Verzeihung üben, Mühsal mit Geduld und Betrübnis mit Fröhlichkeit des Geistes tragen. Selig jene, die ausharren in Frieden, denn von Dir, o Höchster, werden sie die Krone empfangen.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch unseren Bruder, den leiblichen Tod, welchem kein Lebender entfliehen kann. Weh denen, die in schweren Sünden sterben. Doch selig jene, die er antrifft bei der Erfüllung Deines heiligsten Willens, denn der zweite Tod wird ihnen nichts anhaben.

Lobet und preiset meinen Herrn und saget ihm Dank und dienet ihm in großer Demut.

Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre! Würdig ist der Herr, zu empfangen Lob und Ehre! Alle, die ihr den Herrn fürchtet, lobet ihn!

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir! Lobet ihn, Himmel und Erde! Lobet, alle Flüsse, den Herrn! Preiset, Kinder Gottes, den Herrn!

Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, frohlocken und freuen wir uns an ihm. Halleluja, halleluja, halleluja! König Israels! Jeder Geist lobe den Herrn!

Lobet den Herrn, denn er ist gut! Alle, die ihr dies lest, preiset den Herrn! Alle Geschöpfe, preiset den Herrn! Alle Vögel des Himmels, lobet den Herrn! Alle Kinder, lobet den Herrn! Jünglinge und Jungfrauen, lobet den Herrn!

Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, zu empfangen Lob, Ruhm und Ehre! Gepriesen sei die heilige Dreifaltigkeit und ungeteilte Einheit! Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampf!

Text: Franziskus von Assisi

Sonntag, 06.10.2024