Aachener Christen: die Solarstrom-Pioniere
Sonntag, 30.04.2017
Rund ein Drittel der 2016 in Deutschland erzeugten Strommenge stammte aus erneuerbaren Energiequellen. Die Wurzeln dieser Erfolgsgeschichte reichen 30 Jahre zurück. Sie begann im April 1986 mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.
Der Aachener Ingenieur Wolf von Fabeck war damals 51 Jahre alt. Die radioaktive Strahlung aus dem explodierten Atomkraftwerk gelangte durch Wind und Strömungen von Weißrussland auch bis nach Deutschland. Von Fabeck erinnert sich: "Daraufhin habe ich mir ein Messinstrument ausgeliehen. Dann bin ich mit dem Gerät den Körper hoch, und als ich in die Nähe der Hosentasche kam, ging es auf einmal tick, tick, tick, tick, tick. Ich war ziemlich erschrocken, damals war ich noch jünger, und so in dieser Gegend hat man nicht gerne Radioaktivität. In der Hosentasche hatte ich ein Taschentuch. Das hatte ich vollgerotzt, als ich draußen Holz gesägt hatte. Auf die Weise hatte ich radioaktive Partikelchen aufgefangen, und die waren im Taschentuch."
Der Schock über die unsichtbare Gefahr in seiner Hosentasche ließ den Ingenieur nachdenken: Wie kann es gelingen, Atomstrom durch alternative Energiequellen überflüssig zu machen? Er kaufte sich für 400 Mark ein Solarmodul, suchte sich eine sonnige Stelle in seinem Garten und schloss die Küchenmaschine seiner Frau an: "Und da fing die Küchenmaschine tatsächlich an, sich zu drehen. Zwar nur ganz langsam (…), aber sie drehte sich. (…) Ich sagte mir, wenn du mit einem Solarmodul die Küchenmaschine schon dazu bringen kannst, dass sie sich langsam dreht – ich brauch also 12 Solarmodule, dann kann die sich mit voller Power drehen. Mit dieser Erkenntnis bin ich dann zu meiner Frau gegangen. Und ich sagte »Du, ich brauch noch 11 weitere Solarmodule«. Meine Frau sagte »Das ist Unfug, lass das sein«."
Zum Glück hörte von Fabeck damals nicht auf seine Frau. Stattdessen sprach er mit seinem Freund – einem evangelischen Pfarrer – über die Sache. Und der hatte dann die Idee, einen Förderverein zu gründen. Gemeinsam fanden sie immer mehr Mitstreiter und kauften mit den Mitgliedsbeiträgen weitere Solarmodule um zu zeigen: Strom aus Sonnenlicht zu produzieren funktioniert tatsächlich. Mit ihrem Solarenergie-Förderverein Deutschland, den es noch heute gibt, setzten sie sich auch politisch dafür ein, die erneuerbaren Energien voran zu bringen.
Es dauerte mehrere Jahre, ehe im Aachener Stadtrat und bei den zuständigen Energieversorgern die letzten Widerstände gegen eine kostendeckende Vergütung für die Einspeisung von Solarenergie überwunden werden konnten. Doch dann wurde die gefundene Lösung – das "Aachener Modell" – binnen kurzer Zeit bundesweit von weiteren 40 Kommunen bzw. Stadtwerken übernommen. Für Wolf von Fabeck und seinen Verein war das der Durchbruch: "Ein 40-faches Experiment zeigte, dass der Zuwachs an Photovoltaik-Anlagen unter der kostendeckenden Vergütung ein nie dagewesenes Tempo erreichte. Gestützt auf diese positiven Ergebnisse forderte der Solarenergie-Förderverein ein Bundesgesetz, welches die Einführung der kostendeckenden Vergütung im Bundesrahmen möglich machen sollte." Das gelang schließlich im April 2000, als das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) in seiner ersten Fassung in Kraft trat. Die komplette Historie dieser Entwicklung können Sie hier nachlesen.