Aktion statt Resignation: Klima-Christen in Aachen
Sonntag, 08.01.2023
„Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ – dieser aus der Bibel abgeleitete Dreiklang bestimmt schon seit mehr als 40 Jahren das kirchliche Handeln. Gerade im Blick auf Umwelt- und Klimaschutz waren Christen oft in der Vorreiterrolle.
Einer dieser Pioniere war der evangelische Pfarrer Hermann Wennmann aus Duisburg. Bereits 1980 schwor er seine damals rund 500 Gemeindeglieder auf einen umweltfreundlichen Kurs ein. Innerhalb von knapp 20 Jahren setzte er mit ihnen zusammen über 30 ökologische Pilotprojekte in die Tat um - von der Wildblumenwiese im Pfarrgarten bis hin zur bundesweit ersten Solaranlage auf einem Kirchendach.
Wichtige Pionierarbeit leisteten auch Christen aus Aachen mit dem Ingenieur Wolf von Fabeck an ihrer Spitze. Zusammen mit einem evangelischen Pfarrer gründete er unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl einen Förderverein, um zu zeigen: Strom aus Sonnenlicht zu produzieren funktioniert tatsächlich. Mit ihrem Solarenergie-Förderverein Deutschland, den es noch heute gibt, setzten sie sich auch politisch dafür ein, die erneuerbaren Energien voran zu bringen.
Es dauerte mehrere Jahre, ehe im Aachener Stadtrat und bei den zuständigen Energieversorgern die letzten Widerstände gegen eine kostendeckende Vergütung für die Einspeisung von Solarenergie überwunden werden konnten. Doch dann wurde die gefundene Lösung – das "Aachener Modell" – binnen kurzer Zeit bundesweit von weiteren 40 Kommunen bzw. Stadtwerken übernommen. Für Wolf von Fabeck und seinen Verein war das der Durchbruch: "Ein 40-faches Experiment zeigte, dass der Zuwachs an Photovoltaik-Anlagen unter der kostendeckenden Vergütung ein nie dagewesenes Tempo erreichte. Gestützt auf diese positiven Ergebnisse forderte der Solarenergie-Förderverein ein Bundesgesetz, welches die Einführung der kostendeckenden Vergütung im Bundesrahmen möglich machen sollte." Das gelang schließlich im April 2000, als das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) in seiner ersten Fassung in Kraft trat.
Bis heute lässt sich an vielen Stellen zeigen, dass die Kirchen das Thema Umwelt- und Klimaschutz „auf dem Schirm“ haben. So hat zum Beispiel der Deutsche Evangelische Kirchentag seit der Jahrtausendwende ein etabliertes Umweltmanagementsystem. Seitdem gehören ökofaire Verpflegung, ein integriertes ÖPNV-Ticket in der Eintrittskarte zum Kirchentag und die Mülltrennung bzw. Müllvermeidung zum Standard dieses kirchlichen Großereignisses.
Unter dem Titel „Der grüne Hahn“ gibt es solch ein Umweltmanagementsystem auch für Kirchengemeinden. Etwa 120 evangelische und katholische Gemeinden und kirchliche Einrichtungen arbeiten allein in Nordrhein-Westfalen heute mit diesem Umwelt-Managementsystem, das von der von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg nach Kriterien der Europäischen Union entwickelt wurde. Inzwischen kommt das System auch in vielen anderen evangelischen Landeskirchen zum Einsatz. Im Februar 2007 wurde der „Grüne Hahn“ sogar von der UNESCO ausgezeichnet.
In Zeiten knapper Kassen ist der Verbrauch von Heizöl und Gas, von elektrischem Strom und Wasser nicht nur ein ökologischer Faktor, sondern auch eine zunehmende Belastung im Finanzhaushalt von Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Durch bauliche Veränderungen, die Nutzung von Solaranlagen, durch Regenwasser-Auffanganlagen u.v.m. haben die beteiligten Gemeinden erstaunliche Einsparungen und Umwelterfolge vorzuweisen. So konnte z.B. die Ev. Kirchengemeinde Köln-Dünnwald ihren Stromverbrauch innerhalb von drei Jahren um 40% senken, ihren Wasserverbrauch sogar um fast 52%.
Doch auch jeder Privathaushalt kann durch einfache Maßnahmen den Energieverbrauch und damit den CO2-Ausstoß verringern. Prof. Dr. Maximilian Gege, Mitbegründer des Beratungsinstituts B.A.U.M. (Bundesarbeitskreis für Umweltbewusstes Management) schätzt, dass bei konsequenter Anwendung aller Möglichkeiten allein in Deutschland die Privathaushalte 142 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen könnten. Die finanzielle Ersparnis beziffert er auf nicht weniger als 50 Milliarden Euro. In seinem Buch "Klima retten und Geld sparen" listet Prof. Gege 1.000 Tipps für Haus, Garten, Büro und Freizeit auf, durch die eine Familie jährlich bis zu 3.000 Euro und mehr als acht Tonnen CO2 einsparen kann. Das Buch ist am 3. Mai 2007 im BrunoMedia Buchverlag erschienen:
Preis: 12,80 EUR
Der jüngste Weltklimabericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) von 2022 hat mehr als 1.000 Seiten und enthält die Ergebnisse von mehr als 34.000 Studien, zusammengetragen von 270 Autoren aus 67 Ländern. Ihre Forderungen sind deutlich.
Wenig überraschend appellieren die Experten an die Politik: Die Welt muss geschlossen handeln und sie muss schnell handeln, wenn man die Folgen des Klimawandels noch begrenzen will. Das meint auch Dr. Joachim Fünfgeld aus dem Referat Wirtschaft und Umwelt beim evangelischen Hilfswerk »Brot für die Welt«: „Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das sagt: Der beste Augenblick, einen Baum zu pflanzen, war gestern. Der Zweitbeste ist heute – sprich: die Versäumnisse müssen wir zur Kenntnis nehmen und heute sofort anfangen, eben umzusteuern und die richtigen Lehren daraus ziehen.“
Am Weltklimabericht, der nur etwa alle sieben Jahre erscheint, arbeiten Fachleute aus 195 Ländern mit. Der Bericht besteht aus drei Teilen, die jeweils in mehrtägigen Plenarsitzungen vom IPCC beraten und verabschiedet werden. Der erste Teil des aktuellen Weltklimaberichts wurde bereits im August 2021 veröffentlicht. Er beschäftigte sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Der zweite Teil, der Ende Februar 2022 erschien, enthielt eine Zusammenfassung für die politischen Entscheidungsträger. Am 4. April 2022 wurde schließlich auch der dritte Teil bekannt gegeben, in dem es um politische, wirtschaftliche und technologische Optionen zur Minderung des Klimawandels bzw. seiner Folgen geht.
Fest steht schon jetzt: Der Klimawandel ist eindeutig Menschen gemacht – das belegen seit Jahren zahlreiche Untersuchungen, Rechenmodelle und Studien. Und: Zu stoppen ist der Klimawandel nicht mehr. Nur die Auswirkungen lassen sich noch begrenzen, vorausgesetzt die dafür nötigen Umstellungen und Gegenmaßnahmen werden noch rechtzeitig und möglichst weltweit umgesetzt. Viel Zeit dafür bleibt nicht mehr, meint Dr. Joachim Fünfgeld von „Brot für die Welt“: „Die Krise ist schon so weit fortgeschritten, dass es vielerorts nicht mehr oder kaum noch möglich ist, sich daran anzupassen, und das wird mit jedem Zehntel Grad weiterer Erderhitzung zunehmen: Mehr und mehr Menschen und mehr und mehr Ökosysteme wie auch ganze Gesellschaften werden sich kaum noch an die Klimakrise anpassen können.“
Schätzungen zufolge sind bis zu dreieinhalb Milliarden Menschen auf der Welt durch die Folgen der Erderwärmung und des damit verbundenen Klimawandels akut gefährdet. Teilweise leiden sie schon jetzt unter längeren Dürreperioden, Starkregen und Versalzung ihrer Böden durch den steigenden Meeresspiegel. Beides – Wasserknappheit wie auch Überschwemmungen – könnten in naher Zukunft zu Wanderungs- und Fluchtbewegungen von Millionen Menschen führen. Krankheiten, die bislang auf tropisch-warme Gebiete beschränkt waren, könnten sich infolge der Erderwärmung weiter ausbreiten.