Am 6. Juli ist „Kissing Day“: Küssen in der Bibel
Sonntag, 26.06.2022
Am 6. Juli ist der internationale "Tag des Kusses". Die leidenschaftliche Lippenberührung wird in unzähligen Liedern weltweit besungen, und kein Liebesfilm kommt ohne sie aus. Aber wie hält es eigentlich die Bibel mit dem Küssen?
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat dem Thema eine eigene Internetseite gewidmet. Dort erklärt Pfarrer Horst Peter Pohl: "Im 1. Buch Mose wird erzählt, wie Gott den Menschen aus »Erde vom Acker« geformt hat. Dann hat er mit seinem Mund die Nase des Menschen umschlossen und ihm Atem eingeblasen. Der erste Lebenskuss. Von Jesus wird erzählt, dass er seine Jünger angehaucht hat: »empfangt den Heiligen Geist!«. Auch ein Lebenskuss. Jesus küsste und wurde geküsst. Eine Frau in Kapernaum ließ zum Beispiel nicht ab, ihm unter Tränen die Füße zu küssen."
Auch in vielen anderen Stellen der Bibel wird fleißig geküsst. Das ist wenig verwunderlich, galt doch ein Kuss zur Begrüßung oder Verabschiedung in der damaligen Zeit als Zeichen der Gastfreundschaft. Das Buch der Bücher kennt aber sehr wohl auch den erotischen Kuss. Im "Hohelied Salomons" aus dem Alten Testament heißt es zum Beispiel: "Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein!" Vom jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber wird diese Zeile übersetzt mit "Er tränke mich mit den Küssen seines Mundes!" Und weiter: "Seine Lippen sind Lotosblumen, flüssige Myrrhe träufelt von ihnen - sein Gaumen ist Süße, und alles an ihm ist begehrenswert".
Sehr viel häufiger als der erotische Kuss sind in der Bibel allerdings die Küsse zur Begrüßung und zum Abschied, als Zeichen der besonderen Würdigung oder der Segenskuss auf die Stirn. Auch Küsse zur Versöhnung finden sich recht häufig. Joseph zum Beispiel küsst seine Brüder, obgleich die ihn in die Sklaverei verkauft hatten. Esau küsst seinen Bruder Jakob, der ihn um das Familienerbe betrogen hatte. Und der Vater küsst den verlorenen Sohn, als dieser demütig, verdreckt und völlig Pleite nach Hause zurückkehrt.
Auf der schon erwähnten Internetseite der EKHN schreibt Pfarrer Horst Peter Pohl: "Christen sollen einander küssen, fordert die Bibel immer wieder. »Grüßt einander mit dem Heiligen Kuss!«. Im Mittelalter wurde das der Amtskirche suspekt. Geküsst wurde im Gottesdienst fortan nur noch symbolisch durch das Weiterreichen von »Kusstafeln«, die man statt der Mitchristen küsste und dann weitergab. Die Bibel kennt auch »falsche Küsse« und warnt vor ihnen. Sie erzählt beispielsweise von Absalom, der gerne höchster Richter geworden wäre und deshalb jedem, der sich ihm näherte, die Hand hinstreckte und ihn küsste. Und in den Sprüchen heißt es »Schläge von Freunden sind treu gemeint – aber trügerisch sind die Küsse von Feinden!«
Der wichtigste und folgenschwerste Kuss ereignet sich allerdings im Neuen Testament: Es ist der Kuss, mit dem Judas nach biblischer Überlieferung Jesus an seine Gegner verrät: "Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist's; den ergreift." (Matthäus-Evangelium, Kap. 26, Vers 48). Ein Kuss, der als "Judaskuss" sprichwörtlich geworden ist.