Auf den Spuren Franz Stocks zum Borberg

von Christof Beckmann

Sonntag, 02.08.2020

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Franz Stock, der „Erzengel in der Hölle“, Collage: KIP

Lust auf Wandern? Das Franz-Stock-Komitee für Deutschland e.V. lädt am 22. August 2020 auf den Spuren Franz Stocks zum Borberg ins Sauerland, Ort des Internationalen Friedenstreffens von 1931. Notwendig ist telefonische Anmeldung bis zum 07. August 2020.

INFO: Deutschland und Frankreich – sie sind ein besonderes Tandem in Europa. Die wechselvolle Geschichte beider Länder fand vor 80 Jahren einen brutalen Höhepunkt: Am 14.6. 1940 besetzten die deutschen Truppen die Hauptstadt Paris. Es war damals ein trauriger Tag für einen jungen deutschen Seelsorger aus dem Sauerländischen Arnsberg-Neheim: Franz Stock, ab 1940 Seelsorger der deutschen katholischen Gemeinde in Paris.

Auf seinen Spuren lädt das Franz-Stock-Komitee für Deutschland e.V. am 22. August 2020 zum Borberg. Dort wollen sie an das internationale Friedenstreffen von 1931 und seine Botschaft erinnern und unterstreichen, wie wichtig ein gemeinsames, grenzenloses und geeintes Europa auch heute ist. Der Pilgerweg von Brilon-Wald bis zum Borberg wird begleitet durch spirituelle Stationen und die Wanderung schließt mit einem Gottesdienst. Für das leibliche Wohl ist in der Hiebammenhütte gesorgt. Hinweis: Die Wanderstrecke hat teils größere Steigungen und ist eher für geübtere Wanderer geeignet. Außerdem gelten natürlich Corona-Regeln. Notwendig ist eine telefonische Anmeldung bis zum 07. August 2020. Weitere Informationen: https://franz-stock.org/index.php/de/aktuelles/aktuelles/39-allgemein/1181-wanderung-zum-borberg, Anmeldung: Lukas Berting, Tel. 0162 / 78 17 474 (bis 07.08.!).

Der Borberg und das Friedenstreffen von 1931: Der 670 Meter hohe Borberg nahe Petersborn, einem Ortsteil von Brilon zwei Kilometer nördlich von Elleringhausen im Hochsauerlandkreis, gehört zum Rothaargebirge und hat seinen Namen nach einer ehemaligen Kirche oder Kapelle, die St. Borghard geweiht war und zum Stift Geseke gehörte. Auf ihm befindet sich eine frühmittelalterliche Wallanlage, der Borbergskirchhof mit Resten der bei Grabungen von 1983 bis 1986 vollständig freigelegten Klosterkirche mit Gedenkstein für Franz Stock und das Borberger Friedenskreuz. Es trägt die Aufschrift „Ihr aber seid Brüder“ und wurde 1965 zur Erinnerung an das Konzil errichtet.

An und in der 1923 errichteten Briloner Friedenskapelle fand am 13. September 1931 ein großes internationales Friedenstreffen des Friedensbundes der deutschen Katholiken (FDK) statt, einer 1919 von dem katholischen Priester Max Josef Metzger in München gegründeten pazifistisch orientierten Vereinigung politisch engagierter Katholiken in der Weimarer Republik. Damals wurde auch die Borberger Friedenseiche gepflanzt. Beteiligt waren Mitglieder des Quickborn-Arbeitskreises (Quickbornbewegung), Kreuzfahrer aus dem Sauerland und Schüler aus dem Briloner Gymnasium Petrinum. Abbé Franz Stock, einer der Hauptredner, brachte aus Frankreich Gefährten des Franz von Assisi mit.

Ziel des Friedensbunds (FDK) war die Mitwirkung am Aufbau einer internationalen Friedensordnung, die Krieg künftig erübrigen sollte. Er bekämpfte Militarismus und Nationalismus, die Bildung von Wehrsport-Gruppen und unterstützte den Völkerbund. Seine bis auf etwa 8.000 aktive und 40.000 korporative Mitglieder (1932) angewachsene Mitgliedschaft stammte oft aus der Kolpingjugend, dem katholischen Jungmännerverband, dem Jungen Zentrum, dem Quickborn-Arbeitskreis sowie aus katholischen Arbeitervereinen. Zeitschrift des FDK war die „Katholische Friedenswarte“, die 1926 in „Der Friedenskämpfer“ umbenannt wurde. Am 1. Juli 1933 wurde die Vereinigung von der NS-Regierung verboten, Führungspersonen wurden in Konzentrationslagern inhaftiert, zu langen Zuchthausstrafen verurteilt oder hingerichtet. Der 1946 neu begründete FDK wurde im Zuge der deutschen Wiederbewaffnung Westdeutschlands heftig öffentlich angegriffen und löste sich 1951 auf.

Franz-Stock: Am 21. September 1904 in Neheim als erstes von neun Kindern einer Arbeiterfamilie geboren, schloss sich Franz Stock in seiner Schulzeit dem Bund Neudeutschland und später der Quickbornbewegung an. 1926 nahm er das Studium der Theologie in Paderborn auf. Zu Ostern 1928 ging er für drei Semester nach Paris und studierte am Institut Catholique – als erster deutscher Theologiestudent in Frankreich seit dem Mittelalter. Am 12. März 1932 wurde Franz Stock durch den Paderborner Erzbischof Dr. Caspar Klein zum Priester geweiht und trat 1934 in Paris seine Stelle als Rektor der deutschen Gemeinde an, wo er auch politische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei unterstützte. Kurz vor Ausbruch des Krieges musste er Paris verlassen, übernahm Vertreterstellen in Dortmund-Bodelschwingh und in der Nähe von Magdeburg. 1940 erneut zum Seelsorger der Deutschen in Paris ernannt, begann er mit seiner Tätigkeit in den Pariser Wehrmachtsgefängnissen Fresnes, La Santé und Cherche Midi, wo er die Häftlinge in den Gefängnissen betreute und über 2.000 Erschießungen beiwohnen musste. Die Franzosen gaben Franz Stock die Bezeichnung „L'Aumônier de l'enfer“ („Der Seelsorger der Hölle“) und „L'Archange en enfer“ („Der Erzengel in der Hölle“).

1945, nach dem Kriegsende, nahm Stock eine neue Aufgabe an: Die Gründung eines Priesterseminars im Kriegsgefangenenlager Dépôt 501 bei Chartres, das er bis 1947 als Regens leitete. Es ging unter der Bezeichnung „Stacheldrahtseminar“ in die Geschichte ein. Insgesamt 949 Dozenten, Priester, Brüder und Seminaristen aus Deutschland und Österreich waren im Verlauf der zwei Jahre dort. Am 24. Februar 1948 starb Abbé Franz Stock plötzlich, völlig entkräftet und noch keine 44 Jahre alt, in Paris.

Sein Tod durfte damals in der Presse nicht bekannt gegeben werden, da er noch immer den Status eines Kriegsgefangenen hatte. So folgte seinem Sarg nur ein knappes Dutzend Menschen, auch von der Familie konnte niemand an der Beisetzung teilnehmen, da sie keine Einreiseerlaubnis erhalten hatten. Nuntius Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., nahm die Einsegnung des Toten vor und sagte dabei: „Abbé Franz Stock - das ist kein Name - das ist ein Programm!“

Am 3. Juli 1949 fand die erste öffentliche Feier zum Gedenken an Abbé Franz Stock in der Cathédrale Saint-Louis-des-Invalides in Paris statt, der Bischofskirche der französischen Armee – ein außergewöhnlicher Ort für das Gedenken an den Seelsorger durch frühere Internierte und Mitglieder der französischen Widerstandsbewegung. Abbé Jean Pihan, selbst zuvor Gefangener im Gefängnis Fresnes, würdigte das „Gedächtnis eines Mannes (...), der offiziell von einer feindlichen Nation beauftragt war, bei uns seine Aufgabe ausgerechnet zu der Zeit wahrzunehmen, als diese Nation unser Land besetzt hielt und bedrückte.“ Er erklärte u.a.:

„Doch der Mann, den wir ehren, dieser deutsche Staatsbürger, war ein Priester Jesu Christi, der sein Priestertum in großartiger Weise begriffen hat. Ich habe gesagt, er war deutscher Staatsbürger. Aber zuallererst war er Bürger jenes universalen Gottesstaates, jener Internationale der Geister, die wir die Kirche Jesu Christi nennen. (...) Der Priester, dessen Gestalt heute vor uns steht, hat das vielleicht nicht wörtlich gesagt, aber er hat durch sein Leben und seinen Tod bewiesen, daß es keinen Abgrund gibt, den christliche Liebe nicht auszufüllen vermag. Sein im Dienst der Brüder bis zur Hergabe seiner letzten Kräfte aufgebrauchter Leib, der jetzt in Erwartung der Auferstehung von den Toten im Acker des Friedhofs von Thiais verwest, reicht ihm, um den größten Abgrund auszufüllen, der jemals zwei Völker voneinander geschieden hat. Und wir alle, die wir in unserer Sorge um den Frieden, um Gerechtigkeit und Brüderlichkeit gelitten haben wie er - vielleicht sogar mehr oder auch weniger als er, was soll das schon bedeuten -, wir wollen ihm heute unseren Dank so laut zurufen, daß die kommenden Jahrhunderte uns noch hören, daß man später in einem befriedeten Europa, in einer endlich geeinten Welt es noch weiß, daß am Anfang ihres Friedens das schlichte Opfer eines Franz Stock steht, der ein Deutscher, ein Freund Frankreichs und Diener des universalen Christus gewesen ist.“

Seligsprechung und Domstatue: Das im November 2009 von Erzbischof Hans-Josef Becker eröffnete Seligsprechungsverfahren ist auf Bistumsebene abgeschlossen. Im Februar 2014 nahm die Vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse das Verfahren in Rom auf. Seit dem 17. Mai 2018 erinnert eine Statue an der Südfassade des Paderborner Doms an Abbé Franz Stock. Sie ist ein Geschenk der Innenstadtgemeinden der Stadt an die Kathedrale. Anlass war das 950-jährige Weihejubiläum des Doms. Die durch den Paderborner Bildhauer Michale Diwo geschaffene Figur ist rund ein Meter hoch, 150 Kilogramm schwer und aus Thüster Kalkstein gefertigt. In den Händen hält die Figur ein Notizbuch als Symbol für die Aufzeichnungen, die Abbe Franz Stock zu Hunderten von Hinrichtungen machte.

Video-Portrait über Franz Stock: Ein im Auftrag des Franz-Stock-Komitees 2012 von Hans Peylo (MONDO-TV Production, Münster) produziertes Video-Portrait über Franz Stock gibt einen Überblick über die Lebensgeschichte Franz Stocks und sein friedensstiftendes Handeln. Das für das Internet konzipierte Video kann auch im Rahmen von Vorträgen, Unterricht und Ausstellungen eingesetzt werden. Das Video enthält auch Musiksequenzen aus dem von Hartwig Diehl zum 50. Todestag von Franz Stock komponierten Oratorium „VIDEO PACEM“.

Franz-Stock-Komitee: Das 1964 gegründete Franz-Stock-Komitee für Deutschland e.V. im Sauerländischen Arnsberg setzt sich dafür ein, das friedens- und versöhnungsstiftende Wirken des Abbé Franz Stock bekannt zu machen. Kontakt: Franz-Stock-Komitee für Deutschland e.V. Rathausplatz 1, 59759 Arnsberg, Tel. 02932 / 9318804 oder Hauptstr. 11, 59755 Arnsberg, Tel. 02932 / 22050, E-Mail: info@franz-stock.de, Internet: www.franz-stock.org, Facebook: www.facebook.com/franzstock.org und Twitter: www.twitter.com/franzstockorg. Weitere Franz-Stock-Vereinigungen haben ihren Sitz in Paris und Chartres.

Dauerausstellung in Arnsberg-Neheim: Im historischen Neheimer Fresekenhof befindet sich die Dauerausstellung über das Leben und Wirken von Franz Stock und über die Auswirkungen auf die deutsch-französische Verständigung. 34 Tafeln zeigen Phasen seines friedenstiftenden Handelns dargestellt. Dazu bieten 10 Vitrinen vielfältige Dokumente aus seinem Leben, einschließlich Beispiele seines künstlerischen Schaffens. Besuche lassen sich gut mit einer Besichtigung des Franz-Stock-Denkmals sowie der Taufkapelle in der St. Johannes Kirche und einem Aufenthalt im Elternhaus Stock verbinden, das durch eine Stiftung 1997 zu einer Gedenk- und Begegnungsstätte hergerichtet worden ist. Nach entsprechender Vereinbarung können Ihnen Mitglieder unseres Vorstandes zur Führung und Betreuung während des Besuches zur Verfügung stehen. Der Eintritt ist frei. Geöffnet ganzjährig (nur) nach Terminabsprache. Es besteht auch die Möglichkeit Bücher und Broschüren vor Ort zu erwerben. Terminanfrage / Kontaktadresse, Flyer „Auf den Spuren von Franz Stock in Arnsberg-Neheim“.

Besucheradresse: Fresekenhof, Mendener Str. / Ecke Burgstr., 59755 Arnsberg-Neheim, für Navigationsgeräte: Fresekenplatz 6, 59755 Arnsberg.

Wanderausstellung über Franz Stock: Die informative Ausstellung „Franz Stock - Versöhnung durch Menschlichkeit“ besteht aus Medienwänden, auf denen Kindheit, Studium und Seelsorge Franz Stocks, die Gefängnisseelsorge in den Mont Valerien, sowie die Gefangenschaft gezeigt werden. Benutzer von Smartphones können sich über QR-Codes Filme ansehen, darüber hinaus ist der Zugriff auf eine englische beziehungsweise französische Übersetzung möglich. Weitere Informationen: https://franz-stock.org/index.php/de/aktuelles/aktuelles/40-ausstellung/1146

Sonntag, 02.08.2020