Bekenntnis mit Tradition: Union Progressiver Juden
Sonntag, 11.07.2021
Unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier läuft derzeit das Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Und dieses Leben ist bunter und vielfältiger, als sich das die meisten wohl vorstellen.
Vielfach ist das Bild vom Judentum durch Klischees geprägt, nicht selten auch durch antisemitische Bilder und Erzählungen. Natürlich gibt es strenggläubige Juden, die sich peinlich genau an alle Kleider-, Gebets- und Speisevorschriften halten. Doch das Judentum hat noch mehr Gesichter. Eines dieser Gesichter repräsentiert die 1997 gegründete Union Progressiver Juden in Deutschland mit Sitz in Bielefeld. Die Union versteht sich als Zusammenschluss liberaler Juden und jüdischer Gemeinden in Deutschland und ist Teil der Weltunion für progressives Judentum (World Union for Progressive Judaism – WUPJ). Eigenen Angaben zufolge ist die WUJP „die (…) weltweit größte jüdische religiöse Organisation in 46 Ländern“ und vereint weltweit Gemeinden mit 1,6 Millionen Mitgliedern.
Zur Union Progressiver Juden (UPJ) in Deutschland gehören derzeit 26 liberale jüdische Gemeinden und Gruppen mit 6.500 Mitgliedern – darunter in Köln, Oberhausen, Unna und Bielefeld - sowie das Rabbinerseminar „Abraham Geiger Kolleg“ in Potsdam, wo Rabbiner/innen und Kantoren/innen ausgebildet werden. Weitere liberale Gemeinden befinden sich zurzeit in Deutschland in Gründung. »Progressiv« zu sein bedeutet für die Generalsekretärin der Union, Irith Michelsohn, „fortschreitend, reflektiert, angepasst an die Situation“.
In den Gottesdiensten progressiver Gemeinden dürfen deshalb zum Beispiel Musikinstrumente zum Einsatz kommen, werden Frauen und Männer in der Synagoge nicht getrennt, und schon Mädchen ab zwölf Jahren können zur Thora aufgerufen werden. In diesen Gemeinden können Frauen auch in geistliche Ämter berufen werden und man ist offen gegenüber anders Liebenden, so Rabbiner und Unionsvorsitzender Prof. Walter Homolka in einem Image-Video der UPJ.
Obwohl das progressive Judentum in Deutschland auf eine 250jährige Tradition zurückblicken kann, setzte die Wiederbelebung dieser Strömung nach dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden im Holocaust erst nach der deutschen Wiedervereinigung ein. Bis 1989 gab es bundesweit nur etwa 15.000 jüdische Gemeindemitglieder – zu wenig, als dass sich unter ihnen verschiedene Bekenntnisrichtungen hätten herausschälen können. Erst durch die Zuwanderung von 200.000 Jüdinnen und Juden aus den früheren Sowjet-Staaten entstand eine Vielfalt, die einen Zusammenschluss zur UPJ möglich machte.