Breites Bündnis unterstützt „Sea-Watch 4“

von Manfred Rütten

Sonntag, 25.07.2021

Flüchtlinge im Mittelmeer auf dem Weg zum Rettungsschiff 'Sea-Watch'.
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Flüchtlinge im Mittelmeer warten auf ihre Rettung durch die "Sea-Watch". (Foto: Brainbitch ; lizensiert unter CC BY-NC 2.0 - https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

An Nord- und Ostsee gilt der letzte Sonntag im Juli als „Tag der Seenotretter“. Ausgerufen wurde er vor 20 Jahren von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Doch Menschen in Seenot gibt es auch auf den Fluchtrouten im Mittelmeer.

Die Überfahrt vom afrikanischen zum europäischen Kontinent ist nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe „die tödlichste Seeroute der Welt, denn vor den Toren Europas spielt sich Tag für Tag eine Tragödie ab, ohne dass ein Ende in Sicht ist.“ Bei dem Versuch, von Afrika nach Europa zu kommen, sind allein in diesem Jahr bisher mindestens 900 Menschen im Mittelmeer ertrunken (Stand Juli 2021). Im Jahr davor waren es 1.400. Laut UNO-Flüchtlingshilfe können „diese Zahlen nur geschätzt werden. Wie viele Menschen bei der Mittelmeerüberquerung wirklich umkommen, bleibt im Dunkeln.“

Trotz der hohen Opferzahlen gibt es für die Fluchtrouten über das Mittelmeer immer noch kein staatlich koordiniertes Seenotrettungssystem der Europäischen Union (EU). Die 2004 gegründete EU-eigene Agentur Frontex mit Sitz in Warschau soll einerseits die EU-Außengrenzen beobachten und schützen. Eigenen Angaben zufolge wurde die Frontex 2016 „ausgebaut und verstärkt und wurde zur Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, wodurch ihre Aufgabe von der Kontrolle der Migrationsströme auf Grenzschutz erweitert wurde und sie dadurch zunehmend Verantwortung für die Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität erhielt. (…) Das Mandat der Agentur wurde auch offiziell um Such- und Rettungsaufgaben erweitert, wenn derartige Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung der Seegrenzen erforderlich werden.“

Doch statt Geflüchteten in Seenot zu helfen, häufen sich in der jüngeren Vergangenheit Vorwürfe, nach denen Frontex-Kräfte selbst oder von Frontex alarmierte nationale Küstenwachen sogenannte „push backs“ durchgeführt haben sollen. Dabei werden die Flüchtlingsboote abgedrängt, aufs offene Meer gezogen und manchmal sogar mit scharfer Munition beschossen. Einen solchen bewaffneten Angriff der sogenannten Libyschen Küstenwache auf 50 Menschen in Seenot hat zum Beispiel die Crew des Aufklärungsflugzeugs „Seabird“ der Organisation „Sea-Watch“ am 30.06.2021 beobachtet und im Video festgehalten.

Da die europäischen und andere Staaten bei der Seenotrettung von Flüchtlingen weitgehend versagen, sind vor ca. sechs Jahren Nichtregierungsorganisationen und Vereine in die Bresche gesprungen. Dazu nachfolgend ein paar Beispiele:

Nachdem 2015 auf dem Höhepunkt der „Flüchtlingswelle“ fast 4.000 Menschen auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken waren, ließ der Regensburger Unternehmer Michael Buschheuer einen alten Fischkutter umbauen und startete im April 2016 eine eigene Rettungsaktion. Zwischen Februar und September 2016 retteten er und seine Crew mit der „Sea-Eye“ 4.000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken.

Seit Sommer 2019 ist „Ocean Viking“ für die Organisation SOS MEDITERRANEE im Mittelmeer im Einsatz. Auf seiner jüngsten Fahrt im Juli 2021 hat das Schiff bei sechs Einsätzen im zentralen Mittelmeer 573 Menschen gerettet. Nachdem diese in Sizilien an Land gehen durften, steht die "Ocean Viking" derzeit unter Quarantäne. Wie SOS Mediterranee am 14.7.2021 berichtet, befindet sich seit dem Anlegen der „Ocean Viking“ derzeit kein ziviles Rettungsschiff vor Ort im Mittelmeer. Nach dem ersten Einsatz der „Geo Barents“, bei dem 410 Menschen gerettet wurden, sei das Schiff von „Ärzte ohne Grenzen“ Anfang Juli von den italienischen Seefahrtbehörden festgesetzt worden. Der Vorwurf der Behörden: Das Schiff für die Durchführung systematischer Such- und Rettungseinsätze nicht geeignet und habe zu viele Menschen an Bord gehabt.

Im Juni 2019 wurde Carola Rackete als Kapitänin des Rettungsschiffes "Sea-Watch 3" in Italien festgenommen, weil sie mit über 50 Flüchtlingen an Bord ohne Erlaubnis den Hafen von Lampedusa angelaufen hatte. Kaum einen Monat später verabschiedeten Teilnehmer am 22. Juli 2019 beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund eine Resolution. Darin forderten sie die evangelische Kirche auf, ein eigenes Schiff für die Seenotrettung im Mittelmeer bereitzustellen. Der daraufhin gegründete Verein „united4rescue“ mit inzwischen fast 800 Unterstützern aus Kirchen und Gesellschaft sammelte unter dem Hashtag #wirschickeneinschiff binnen eines Jahres mehr als 1,5 Millionen Euro. Mit dem Geld ersteigerte "united4recue" in Kiel das ehemalige Forschungsschiff "POSEIDON" ersteigert. Im August fuhr das Schiff unter seinem neuen Namen „Sea-Watch 4“ seinen ersten Rettungseinsatz fahren.

Seit Juli 2016 ist "Jugend rettet" mit einem eigenen Schiff – einem umgebauten Fischtrawler – auf dem Mittelmeer unterwegs, um Flüchtlinge zu retten, die in Seenot geraten sind. Zwischen Juli und November 2016 absolvierte die "Iuventa" sieben solcher Rettungsmissionen. Dabei konnte die 13köpfige Crew insgesamt mehr als 6.500 Schiffbrüchige retten. Ihre vorerst letzte Mission unternahm die „Iuventa“ im Juli 2017. Nach einer erfolgreichen Rettungsaktion läuft das Schiff in den Hafen der sizilianischen Stadt Trapani ein und lässt die Geretteten von Bord gehen. Kurz darauf wird die „Iuventa“ von den italienischen Behörden beschlagnahmt. Zur Begründung heißt es: "Verdacht der Beihilfe zur illegalen Migration". Mehr unter https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-03/crew-iuventa-seenotrettung-italien-anklage-prozess-jugend-rettet   

Sonntag, 25.07.2021