Corona und der Hunger: Tödlicher als das Virus?
Sonntag, 31.05.2020
Während in Deutschland die Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie Schritt für Schritt wieder zurückgefahren werden, nimmt die Verbreitung des Virus in anderen Teilen der Welt immer noch zu. Besonders betroffen: Entwicklungsländer.
Zahlreiche Staaten in Süd- und Mittelamerika, in Afrika oder Teilen Asiens verfügen nicht annähernd über eine medizinische Versorgung, wie sie etwa aus Europa bekannt ist. Entsprechend schwer tun sie sich bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Einfachste Abstands- und Hygieneregeln sind in den Favelas von Rio de Janeiro ebenso wenig einzuhalten wie in ländlichen Regionen Afrikas. Die Menschen leben entweder auf engstem Raum zusammen, oder es fehlt an sauberem Wasser und Seife, um sich vor Infektionen zu schützen.
Staatliche Lockdown-Maßnahmen haben vielerorts daher nur wenig Wirkung und in nicht wenigen Fällen sogar Schattenseiten. Geschlossene Grenzen und unterbrochene Lieferketten führen zu Engpässen in der Nahrungsmittelversorgung. In Ländern, die ohnehin schon seit Jahren unter Dürren oder Überschwemmungen leiden und deshalb Ernteausfälle zu verzeichnen hatten, droht nun sogar eine Hungerkatastrophe.
Davor warnt auch der Geschäftsführer der Deutschen Welthungerhilfe, Mathias Mogge: „Wir haben die ganz große Befürchtung, dass auf diese Gesundheitskrise, die im Moment natürlich ganz akut ist, dann letzten Endes eine Ernährungskrise folgt. Wenn die globale Wirtschaft in Folge der Coronakrise in eine Rezession rutscht - und es sieht ja alles im Moment danach aus - dann hat das eben auch verheerende Folgen für die ärmsten Länder. Schon bei einem Prozent weniger Wirtschaftswachstum weltweit könnte die Zahl der Armen und Hungernden um zwei Prozent steigen. Wir haben aktuell circa 820 Millionen Menschen, die weltweit an Hunger leiden. Durch Corona könnte diese Zahl an die Milliardengrenze gehen oder sogar die Milliardengrenze überschreiten – und das ist natürlich eine katastrophale Vorstellung.”
Viele Menschen in den Entwicklungsländern seien Selbstversorger und lebten an oder unterhalb der Armutsgrenze. Ihnen sei es nicht möglich, Reserven zu bilden. „Viele Menschen arbeiten auch als Tagelöhner, als Arbeiter in Fabriken, als Haushaltshilfen: Das fällt im Moment alles weg, und es gibt keine sozialen Sicherungssysteme in der Regel. Es gibt keine Arbeitslosenversicherung, es gibt kein Kurzarbeitergeld. Die Menschen sind sofort in der Existenznot – und das macht das Ganze so dramatisch”, erklärt Mathias Mogge.
In den rund 30 Programmländern der Welthungerhilfe arbeiten derzeit 2.500 Mitarbeiter daran, die Lage zu verbessern. An vorderster Stelle durch die Verteilung von Nahrungsmitteln, aber auch durch die Bereitstellung einfacher Hygienemaßnahmen: Es gelte Latrinen und Waschgelegenheiten zu installieren, Seife zu verteilen und die Wasserversorgung an öffentlichen Orten zu verbessern, so Mathias Mogge: „Wir klären aber natürlich auch auf: Wir arbeiten mit Radiostationen zusammen, um einfach ganz ähnliche Regelungen wie wir das hier auch in Deutschland kennen, Abstand halten, Händewaschen, Mundschutz tragen, auch dort zu vermitteln.“
Angesichts der Herausforderungen bittet die Deutsche Welthungerhilfe um Spenden. Ihr Geschäftsführer zählt auf: „50 Euro reichen zum Beispiel aus für eine Erstversorgung von mehreren Familien mit ganz dringend benötigten Hygieneartikeln. Mit 100 Euro können beispielsweise fünf Dörfer mit je einem Handwaschbecken und Chlor ausgestattet werden. Das Chlor wird benötigt, um Trinkwasser zu reinigen.“ Mogge freut sich aber auch über niedrigere Beträge: „Wir sind dankbar für jeden Euro, den wir bekommen, um dieser globalen Pandemie etwas entgegen zu setzen.“