Corona: zweite Welle trifft Hospizarbeit erneut
Sonntag, 15.11.2020
Der am 2.11. gestartete „Lockdown Light“ geht in die dritte Woche. Die Beschränkungen sollen noch mindestens bis Ende November dauern, aber eines lässt sich jetzt schon sagen: Diese 2. Corona-Welle macht allen in der Hospizarbeit erneut das Leben schwer.
Egal ob stationäres Hospiz oder aufsuchende ambulante Hospizarbeit: In beiden Fällen haben es die Mitarbeitenden und die ehrenamtlichen Helfer/innen in der Regel vor allem mit alten, schwer kranken und sterbenden Menschen zu tun. Diese Personengruppe ist durch das Virus hochgradig gefährdet und muss entsprechend geschützt werden. Gleichzeitig brauchen aber gerade sie auch menschliche Nähe, Zuwendung und Pflege. Eine fast unlösbare Aufgabe für alle, die im Hospizdienst arbeiten.
Beim Johannes-Hospiz in Münster versucht man, bei allem nötigen Schutz die Menschlichkeit nicht zu vergessen, erklärt Michael Roes, der den stationären Teil des Johannes-Hospiz´ leitet: „Also die Bewohner tragen keine Maske. Für sie ist das in der Regel zu anstrengend. Die meisten haben körperliche Belastungen durch Schmerz und Angst, manchmal Luftnot – in so einer Situation eine Maske tragen zu müssen wäre eine Zumutung. Diesen Grad an Freiheit zu behalten ist unendlich wichtig. Und das ist selbstverständlich.“
Die Bewohner im Johannes-Hospiz sollen sich trotz der Pandemie möglichst wohl fühlen. Dennoch gibt es natürlich Einschränkungen: Pflegepersonal, Seelsorger, Angehörige – sie alle müssen Masken tragen. Das erschwert die Kommunikation, weil die Mimik fehlt. Es gibt zudem weniger Therapiestunden, weniger ehrenamtliche Helfer – und weniger Besucher, so Roes: „Die direkten Angehörigen, die regelmäßig kommen, erleben hier keine Einschränkung. Viele in der – ich sage jetzt mal – zweiten Reihe – Freunde, Nachbarn, Kegelbrüder und -schwestern - diese Menschen haben in der Regel keinen Zugang mehr und müssen sich zurückhalten. Und für diese Menschen ist das schwer und wenig vermittelbar.“
Allerdings: Den Hospizbewohnern, die im Sterben liegen, geht es damit manchmal sogar besser – viel Besuch ist auch anstrengend. Die ambulanten Hospizdienste, die ihre Patienten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen besuchen, leiden dagegen unter den unterschiedlichen Besuchsregelungen. Manchmal dürfen ehrenamtliche Helfer die Einrichtungen nicht betreten, manchmal muss Seelsorge per Telefon erfolgen.
Das könnte sich aber bald ändern. Wie der Evangelische Pressedienst (epd) am 4. November 2020 meldete, hat das Land NRW eine Test-Verordnung erlassen, die Pflegeheime dazu verpflichtet, ab dem 8. November sogenannte Corona-Schnelltests anzubieten und durchzuführen. Dafür stünden jedem Heim pro Bewohner jeweils 20 Schnelltests zur Verfügung. Das Kontingent dürfe ausdrücklich auch dazu genutzt werden, um Mitarbeitende und Besucher der Einrichtung zu testen. Das gebe den Heimen mehr Sicherheit, erklärte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
Experten bezweifeln allerdings, dass 20 Tests pro Bewohner ausreichen. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte am 6.11.2020 gegenüber dem epd: „Bei 100 Heimbewohnern und 40 Pflegekräften braucht man mindestens 4.200 Tests im Monat.“ Weitere 3.000 Test-Kits seien nötig, um auch die Besucher der Heimbewohner testen zu können. Brysch zufolge seien deshalb pro Monat insgesamt 72 Schnelltest-Kits pro Besucher nötig. Völlig unklar sei zudem, wie das ohnehin ausgelastete Pflegepersonal die nötige Zeit für die Testung aufbringen soll. Brysch schätzt den Aufwand auf mindestens 15 Minuten je Test.