Der 9. Av: Ein trauriger Tag im jüdischen Kalender

von Dr. Brigitta Duhme-Hildebrand

Sonntag, 11.08.2019

ein jüdischer Menora-Leuchter mit brennenden Kerzen
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Die Menora hat im Judentum eine wichtige Bedeutung: Ihre sieben Arme stehen für die sechs Tage der Schöpfung und den Schabbat als Ruhetag.

Die Geschichte des jüdischen Volkes ist lang und gespickt mit vielen traurigen Erfahrungen und Ereignissen. Am 11. August steht ein besonders schicksalsträchtiger Tag im jüdischen Kalender: Der 9. Av . Er ist geprägt durch fasten und Klagelieder.

Schon die drei Wochen vor dem 9. Av gelten im Judentum als Zeit der Trauer, erklärt Ruth Yael Tutzinger, die Vorsitzende des Gemeinderates der Jüdischen Kultusgemeinde in Wuppertal: "In diesen Wochen zwischen dem 17. Tamus bis zum 9. Av häufen sich in der Geschichte der Juden die Katastrophen." Dazu gehört u.a., dass Mose aus Zorn über den Tanz ums Goldene Kalb am 17. Tamus die göttlichen Gesetzestafeln zerbricht. Und Jahrhunderte später muss das jüdische Volk am 9. Av gleich zwei Mal die Zerstörung ihres größten Heiligtums mitansehen: Der Tempel in Jerusalem wird 586 v.Chr. durch die Baylonier zerstört, und dann später noch einmal 70 n.Chr. durch die Truppen des römischen Kaisers Titus.

 

Mit Blick in die Neuzeit listet Ruth Yael Tutzinger noch weitere schlimme Ereignisse auf, die alle am 9. Av stattfanden: "Wenn ich mit der jüngsten Zeit anfange, dann war am 9. Av der Beginn des 1. Weltkrieges. Wenn man dann weiter zurückgeht, begann 1492 die Vertreibung der Juden aus Spanien. Und wenn man noch ein bisschen weiter zurückgeht ins Mittelalter, da sind die blühenden jüdischen Gemeinden in Speyer, Worms und Mainz vernichtet worden." Am 9. Av des Jahres 1942 begannen auch die Massendeportationen von Juden aus dem Warschauer Ghetto.

Diese Verfolgungen und Zerstörungen haben sich tief in das kollektive jüdische Gedächtnis eingegraben, und die Gelehrten haben die entsprechenden Wochen deshalb zu einer rigorosen Fastenzeit erklärt. Sie begann in diesem Jahr am 20. Juli und endet am 11. August – dem 9. Av jüdischer Zeitrechnung. Er wird traditionell mit einem strengen 24stündigen Fasten begangen, sagt Ruth Yael Tutzinger: "Es ist eine sehr stille Zeit, in der man keine großen Feste feiert und auch keine Hochzeiten feiert. Man sitzt auf dem Boden in der Synagoge oder auch im privaten Kreis und singt gemeinsam die Klagelieder."

Sonntag, 11.08.2019