Der Pfarrer, bei dem Erich Honecker wohnte
Sonntag, 11.01.2015
Januar 1990: Die Mauer ist gefallen, die DDR am Ende und ihr Ex-Staats- und Parteichef Erich Honecker sucht mit seiner Frau nach einer sicheren Bleibe. Die findet der überzeugte Atheist ausgerechnet bei einem evangelischen Pfarrer.
Uwe Holmer – heute 85 Jahre alt – leitet zur Wendezeit in Bernau bei Berlin die Hoffnungstaler Anstalten, eine Einrichtung der Diakonie. Jahrzehntelang haben er und seine Familie unter der kirchenfeindlichen SED-Politik gelitten. Umso erstaunter ist der Pfarrer, als ein Vertreter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg bei ihm anfragt, ob er bereit wäre, das Ehepaar Honecker bei sich aufzunehmen.
Der als Staats- und Parteichef der DDR geschasste Erich Honecker selbst hatte seinen Anwalt gebeten, den Kontakt zur Kirche aufzunehmen und dort um Asyl für ihn und seine Frau zu bitten. Seit Dezember 1989 lief gegen den 77jährigen ein Ermittlungsverfahren der DDR-Staatsanwaltschaft. Honecker wurde Amtsmissbrauchs und Hochverrat vorgeworfen. Zwar wurde der Haftbefehl gegen ihn wegen seines schlechten Gesundheitszustandes außer Vollzug gesetzt, aber zurück in die Politbürosiedlung nach Wandlitz konnte er nicht, da die Wohnung aufgelöst wurde. Eine normale Wohngegend kam für Honecker nicht in Frage – man befürchtete Übergriffe wütender DDR-Bürger. Und so landete das ehemals mächtigste Ehepaar der DDR im Pfarrhaus von Uwe Holmer.
Drei Stunden lang hatte Holmer zuvor mit seinen Mitarbeitern über die Anfrage diskutiert und sich die Entscheidung, ob er Honecker aufnehmen sollte, nicht leicht gemacht: "Zunächst war unsere Meinung `Nein´. Aber dann erinnerten wir uns, dass wir jeden Sonntag in unserer Kirche beteten `Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern´. Und dann sagten wir: Wir können dann nicht mehr glaubhaft beten, wenn wir das selber dann nun auch nicht tun."
Am 30. Januar 1990 bezog das Ehepaar Honecker schließlich im Pfarrhaus von Uwe Holmer zwei Dachkammern. Ihr "Kirchenasyl" dauerte zehn Wochen. Rückblickend sagt der Pfarrer über diese Zeit: "Es war eigentlich ein sehr menschliches, gutes Miteinander. Und er hat sich nachher auch wirklich herzlich bedankt, dass wir ihn aufgenommen hatten, als sie sich dann verabschiedeten."
Hier erfahren Sie mehr über Uwe Holmer. Auch das Nachrichtenmagazin "FOCUS" hat dem brandenburgischen Pfarrer und seinen ungewöhnlichen Gästen einen Artikel gewidmet.