Die Kirche und die AfD - ein Buchtipp
Sonntag, 17.09.2017
Mit Spannung wird erwartet, wie die "Alternative für Deutschland" (AfD) bei der kommenden Bundestagswahl abschneidet. Die Partei hat auch im konservativen Lager der beiden großen Kirchen Sympathisanten, sagt der Journalist und Theologe Wolfgang Thielmann.
Darüber müsse man reden, meint Thielmann und plädiert dafür, dass sich die Kirchen mit der AfD, ihren Positionen aber auch mit ihren Unterstützern innerhalb der eigenen Gemeinden auseinandersetzen. Sie zu ignorieren, abzulehnen oder zu isolieren helfe nicht weiter: "Ich hab den Fall in Wuppertal beobachtet, wo ein ganzes Presbyterium zurückgetreten ist - sozusagen einen Betriebsunfall herbeigeführt hat - nur damit EINER sein Amt nicht weiterführen konnte. Und da dachte ich: das ist nicht gut. Man muss einen Weg finden, um damit umzugehen. Dasselbe Problem hat ja auch ganz schnell ein Sportverein oder eine Feuerwehr – auch da kann das Problem auftauchen, und diesen Gruppen wollte ich eine Hilfe anbieten."
Zusammen mit elf Autorinnen und Autoren nimmt Thielmann in seinem Buch "Alternative für Christen?" die Positionen der AfD unter die Lupe und fragt, ob oder in wie weit sie mit den christlichen Wertvorstellungen der Bibel vereinbar sind. Beobachter und Kritiker kommen dabei ebenso zu Wort wie auch ein Vorstandsmitglied der AfD aus Wuppertal. Der Leser Thorsten Brenscheidt bemerkt dazu in seiner Amazon-Rezension: "Thielmann erreicht mit dieser Auswahl der Beiträge zweierlei: Zum einen ist das Buch keine einseitige Dokumentation rechtspopulistischer Positionen, zum anderen wird zur sachlichen Auseinandersetzung und zum Dialog angeregt. Der Herausgeber bekämpft damit Populismus nicht mit Populismus, belässt die AfD nicht in ihrer Opferrolle, sondern verfolgt ein solides, demokratisches Anliegen."
Thielmann selbst formuliert das so: "Unabhängige Gruppen - und dazu gehören vor allem Kirchen – müssen versuchen, Menschen die Sinne zu schärfen und sagen: »Achtet auf diese Punkte, achtet darauf, dass keiner einen anderen Menschen verunglimpft und herabsetzt und dass keine sich profiliert auf Kosten anderer Menschen«." Genau dagegen verstößt die AfD in vielen ihrer Positionen, meint Wolfgang Thielmann. Während der Arbeit an dem Buch sei ihm aufgefallen, "dass sie das Deutsche sozusagen gegenüber allen Ausländern irgendwie profilieren will. Also Sozialleistungen sollen erstmal Deutsche bekommen und Ausländer, die müssen draußen stehen. Asyl kann man nur bekommen, wenn auch alle Deutschen versorgt sind. Und dann ist sie auch noch gegen Abtreibung, und wenn man den Zusammenhang liest, merkt man, dass es vor allem darum geht, dass deutsche Kinder geboren werden."
Auch konservative evangelische und katholische Christen sind gegen die Abtreibung – wenn auch aus anderen Gründen. Aber hier gebe es Schnittmengen mit der AfD, sagt Thielmann. Ähnlich sieht es beim Verständnis von Ehe und Familie aus. Auf die Frage "Ist die AfD auch eine Alternative für Christen?" hat Wolfgang Thielmann für sich selbst schon eine Antwort gefunden: "Mein persönlicher Abstand zur AfD ist durch dieses Buch größer geworden. Insofern hab ich persönlich die Hoffnung, (…) dass die Sinne der Leute geschärft werden, nicht aus Protest eine Partei zu wählen, die ihnen an EINEM Punkt sympathischer ist und für den sie dann viele, viele fatale Positionen in Kauf nehmen."
Wolfgang Thielmann: "Alternative für Christen?
Die AfD und ihr gespaltenes Verhältnis zur Religion"
erschienen am 26. Juli 2017 im Neukirchener Verlag
192 Seiten; Preis 17 Euro