Die Zehn Gebote – überholt oder zeitgemäß?
Sonntag, 12.07.2020
Deutschland ist ein Rechtsstaat, und dementsprechend gibt es eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen, die unser Zusammenleben regeln. Allein das Bürgerliche Gesetzbuch hat fast 2.400 Paragrafen. Das Christentum kommt mit sehr viel weniger aus.
Der biblischen Überlieferung zufolge empfing Mose auf dem Berg Sinai von Gott zwei Steintafeln mit insgesamt zehn Geboten, die im Kern sowohl das religiöse Leben als auch das zivile Leben der Menschen untereinander regeln sollten. Diese Zehn Gebote haben sowohl im Judentum als auch im Christentum (vgl. Matthäus 19,18f) eine herausragende Bedeutung.
Ein Gebot ist eine Vorschrift, die das Zusammenleben regelt. Aus biblischer Sicht geht es darum, sich gegenseitig mit Rücksicht zu begegnen und sich jeweils Freiraum zur Entfaltung zu gewähren. Jesus formulierte es so: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch." (Matthäus 7,12) Er hat zudem das "Doppelgebot der Liebe" betont, das im Alten Testament wurzelt: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (Matthäus 19,19; 3. Mose 19,18). Hier wird oft der zweite Teilsatz übersehen, dass es auch legitim ist, an sich selbst zu denken, eigene Interessen zu verfolgen. Entscheidend ist, dass die Balance stimmt zwischen Nächstenliebe und Selbstachtung.
Die Zehn Gebote, auch Dekalog genannt (deka = zehn; logos = Wort), sind in der Bibel zweimal überliefert: 2. Buch Mose, Kap. 20, Verse 2-17 und 5. Buch Mose, Kap. 5, Verse 6-21. Vergleicht man die beiden alttestamentlichen Fassungen, dann fällt auf, dass der Kern beider Versionen identisch ist. In der Begründung einzelner Gebote (Sabbatgebot) zeichnen sich jedoch Unterschiede ab. Neben Verboten (Verehrung fremder Götter, Herstellung von Gottesbildern, Missbrauch des Gottesnamens, unrechtmäßiges Töten fremden Lebens, Ehebruch, Diebstahl, falsches Zeugnis, Begierde nach der Frau und dem Besitz des Nächsten) sind einige Gebote positiv formuliert: Geboten werden die Heiligung des Sabbats / des Feiertages und die Ehrung der Eltern. Die ersten vier Gebote sind ausführlich gehalten, die folgenden bestehen nur aus dem Gebots- oder Verbotstext.