Dortmund: Die "heilenden Hände" von St. Petri
Sonntag, 02.09.2018
Von wildfremden Menschen angefasst zu werden, hat normalerweise keiner gerne. Aber in Dortmund stehen Menschen sogar Schlange dafür – wenn die evangelische Stadtkirche St. Petri zur "heilsamen Berührung durch Handauflegen" einlädt.
Was auf den ersten Blick wie Hokuspokus aussieht, hat in Wahrheit biblische Wurzeln. Und in genau dieser Tradition sieht sich auch Pfarrerin Almut Begemann, die das Angebot zusammen mit einem Team von ehrenamtlichen Helfern entwickelt hat: "Die Heilung durch Handauflegen ist ein ganz zentrales Moment in der Botschaft Jesu, und auch im Urchristentum war das Heilen durch Handauflegen eine ganz verbreitete Praxis. Uns ist es ein Anliegen, diesen Auftrag zu heilen ernst zu nehmen und neu ins Bewusstsein zu bringen."
Die Idee zum Handauflege-Projekt in der evangelischen St.Petri-Kirche sei bei einer Begegnung mit der Heilerin und Pfarrfrau Beatrice Anderegg aus der Offenen Kirche Elisabethen in der Schweiz entstanden, so Begemann. Dort habe die Schweizerin schon vor fast 20 Jahren das Projekt "Handauflegen und Gespräch“ eingeführt. "Wir bieten das Handauflegen an, weil es ein Auftrag Jesu an die Kirche ist, neben der Verkündigung und der Diakonie auch zu heilen“, ist Pfarrerin Begemann überzeugt. Die nächsten Termine in der Dortmunder Stadtkirche sind am 11. und 25. September sowie am 11. Oktober 2018, jeweils zwischen 17.30 und 20 Uhr. Noch mehr Infos lesen Sie in diesem Flyer (pdf-Datei zum Download)
Pro Person dauert das Handauflegen etwa 20 Minuten. Diejenigen, die ihre Hände auflegen, sind dafür extra geschult worden und wissen, dass sie nicht aus eigener Kraft heilen können. Sie sind eher "Vermittler", die sich für die Kraft Gottes öffnen und seinen Geist fließen lassen. Dabei sind Spontanheilungen durchaus möglich, aber garantiert werden können sie nicht, sagt Pfarrerin Almut Begemann: "Ob da wirklich Heilung geschieht, haben wir gar nicht wirklich im Griff, das sind oft Wege, die wir gar nicht wissen, warum die so sind wie sie sind. Heilungsprozesse vollziehen sich dann, wenn sie reif sind, und unsere Erfahrung ist, dass eigentlich alle davon berichten, wie wohltuend das ist. Wie gut es tut, diese Zeit für sich zu haben."
Eng verbunden mit dem Handauflegen ist der alte biblische Ritus der Krankensalbung. In beiden Formen sollen Menschen die heilsame Berührung Gottes erfahren können. Zur Salbung sind in der Regel nicht nur Kranke oder Gebrechliche eingeladen, sondern alle, die "mühselig und beladen" sind und Zuwendung brauchen. Allerdings: Vollmundige Heilungsversprechen, wie sie in der Esoterikszene gängig sind, hält der reformierte Theologe Rainer Stuhlmann für "Scharlatanerie in religiösem Gewand". Für die Praxis der Krankensalbung beruft er sich ganz einfach auf das Neue Testament: "Im Jakobusbrief gibt es geradezu eine Anleitung, wie mit den Kranken in der Gemeinde umgegangen werden soll: Die Gemeinde soll für sie beten, ihnen die Hände auflegen und sie mit Öl salben. Und der Herr wird sie aufrichten", zitiert er.
Dieses Aufrichten, so Stuhlmanns Erfahrung, geschieht in dreierlei Hinsicht: Salbung kann nach biblischer Verheißung Gesundung bewirken, Erleichterung und Besserung verschaffen oder auch nur dazu beitragen, besser mit unveränderlichen Beeinträchtigungen zu leben. Ganz bewusst ist die Salbung nicht allein Sache des Pfarrers, denn Salbung setzt nach evangelischem Verständnis keine Ordination voraus und kann von jedem Christen und jeder Christin vollzogen werden. Mit sanften kreisenden Bewegungen wird das Öl auf dem Handrücken, der Stirn und den Schläfen verrieben, dazu gibt es ein leises Gebet und einen Segenszuspruch zum Abschluss des Rituals. Tatsächlich wurden nach Salbungsritualen auch schon Heilungen beobachtet. Insbesondere im Bereich von Hauterkrankungen und psychosomatischen Diagnosen sind sie gar nicht selten. Salbung ersetzt aber keinen Arztbesuch, sagt Pfarrer Rainer Stuhlmann.