Ein Flüchtlingsschicksal unter Tausenden: Jamal
Sonntag, 20.09.2015
Nach Angaben des Diakonischen Werkes sind derzeit weltweit mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Die meisten davon – nämlich 90% - suchen Schutz entweder im eigenen Land, oder in einem Nachbarstaat. Auch die Familie von Jamal hat das versucht.
Sie ist von Afghanistan in den Iran geflohen, wurde aber dort nicht lange geduldet. Als die Abschiebung zurück nach Afghanistan drohte, wurde Jamal, der die Heimat seiner Familie noch nie gesehen hatte, von seinem Vater zur Flucht nach Deutschland ermutigt. Noch minderjährig und völlig auf sich allein gestellt machte er sich auf die lange und gefährliche Reise.
Mit dem Schiff, mit dem Zug und sogar zu Fuß ging es Richtung Europa. Im Rückblick auf die traumatischen Erlebnisse während seiner Flucht sagt Jamal heute: "Das war sehr gefährlich - sehr gefährlich! Viele sind unterwegs gestorben. Das war richtig schwer. Es hätte passieren können, dass ich auch unterwegs sterbe. Aber ich habe es geschafft, weil ich hatte ein Ziel." Sein Ziel Deutschland hat er erreicht, aber die Angst ist geblieben: Die Angst, nach Afghanistan abgeschoben zu werden und Angst, weil er sich allein fühlt. Jamal vermisst seine Familie sehr. Umso dankbarer ist er für die Menschlichkeit, die er hier erfahren hat. Momentan besucht er eine Realschule, und wenn seine Noten gut genug sind, möchte er später studieren.
Das Beispiel von Jamal zeigt vor allem eines: Hinter jeder noch so großen Zahl stehen immer Einzelschicksale. Insbesondere mit Blick auf die sogenannten "Balkanflüchtlinge", die derzeit zu Tausenden nach Deutschland kommen, wünscht sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) deshalb, "dass die Verfahren faire Verfahren sind, dass Einzelfallprüfungen gemacht werden. Wir wissen auch, dass in anderen Ländern Europas die Anerkennungsquoten aus den gleichen Ländern viel höher sind als hier. Das heißt, es gibt einen Beurteilungsspielraum, der sagt, es gibt eben auch Fälle – gerade wenn es sich um Roma handelt, die diskriminiert werden – es gibt auch Fälle, die dazu führen, dass Menschen das Recht haben, hier zu bleiben. Das muss geprüft werden. Das muss gewährleistet sein. Und man sollte diese Flüchtlinge nicht stigmatisieren als "Flüchtlinge 2. Klasse". Es sind alles Menschen, und die verdienen eine Prüfung ihres Verfahrens."
Die Bundesregierung rechnet bis Ende 2015 mit insgesamt 800.000 Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen. Für deren Unterbringung und Versorgung sollen im Bundeshaushalt für das kommende Jahr drei Milliarden Euro eingestellt werden. Weitere drei Milliarden Euro stellt der Bund den Ländern und Kommunen zur Verfügung. Gleichzeitig beschlossen die Spitzen der Regierungskoalition in der Nacht zum 7. September 2015 verschärfte Regeln für Asylbewerber. Deren Unterstützung in den Erstaufnahmelagern soll – wo möglich – von Geld- auf Sachleistungen umgestellt werden. Außerdem sollen die Balkan-Staaten Albanien, Kosovo und Montenegro in die Liste der "sicheren Herkunftsländer" aufgenommen werden. Dadurch könnten Asylbewerber aus diesen Staaten schneller wieder in ihre Heimatländer abgeschoben werden.
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet unter Berufung auf Zahlen des Bundes und der Länder, dass in den ersten Monaten des laufenden Jahres bereits mehr als 10.000 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben wurden. Das seien etwa so viele wie im gesamten Vorjahr. Wie es in dem Bericht weiter heißt, könnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis zum Jahresende über weitere 75.000 noch offene Asylanträge von Westbalkan-Bürgern entscheiden. In den meisten Fällen sei mit einem ablehnenden Bescheid zu rechnen.