Eine Mama auf Zeit für Kinder in Not
Donnerstag, 30.05.2024
Die knapp 600 Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2022 rund 30.000 Kinder vorübergehend aus ihren Familien herausgeholt. Inobhutnahme nennt sich das und passiert immer dann, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Das kann verschiedene Gründe haben.
Wohl am häufigsten denkt man beim Stichwort „Kindeswohlgefährdung“ an Gewalttaten wie sexueller Missbrauch oder Schläge gegen Kinder. Das Kindeswohl kann aber genauso gut gefährdet sein durch Drogenmissbrauch auf Seiten der Eltern oder durch eine schwere psychische Erkrankung, durch die den Kindern Verwahrlosung droht – etwa weil die Wohnung vermüllt ist oder die Ernährung der Kinder gefährdet ist. Wo solche Fälle bekannt werden, ist das Jugendamt verpflichtet einzugreifen.
Wenn die Gefahren für die Kinder akut sind und sich nicht durch andere Maßnahmen abwenden lassen, kann das Jugendamt tätig werden, nachdem ein Familiengericht entsprechende Maßnahmen beschlossen hat. Diese sind in § 1666 Absatz 3 BGB aufgelistet. Zum Beispiel kann eine Auflage an die Eltern ergehen, Hilfsangebote wahrzunehmen. In besonders schweren Fällen ist die Entziehung der elterlichen Sorge möglich – auch gegen den Willen der Erziehungsberechtigten (siehe Art. 6 Abs. 3 Grundgesetz).
Kinder, die zu ihrem eigenen Schutz aus ihrer Herkunftsfamilie herausgenommen werden, werden je nach Alter und individueller Situation in einem stationären Kinder- und Jugendheim untergebracht. Alternativ können sie aber auch vorübergehend in einer Pflegefamilie Schutz finden. Diese sogenannten Bereitschaftspflegeeltern werden von den Jugendämtern geprüft und ausgewählt. Sie sind sozial kompetent, flexibel, belastbar und bieten somit dem Kind den bestmöglichen Schutz für seine Entwicklung. Für ihren Dienst bekommen Bereitschaftspflegeeltern vom Jugendamt einen Tagessatz gezahlt. Pro Monat ist mit ca. 1.000 Euro zu rechnen. Die Vergütung umfasst allfälligen Sachaufwand für Pflege und Erziehung des Kindes sowie den Unterhalt für das Kind. Mehr Infos über die Bereitschaftspflege gibt es hier.
Fast die Hälfte aller knapp 30.000 Inobhutnahmen aus dem Jahr 2023 dauerten nicht länger als zwei Wochen. Jede Dritte konnte sogar schon nach einer Woche wieder beendet werden. Wie die Zeitung „DIE ZEIT“ unter Berufung auf das Statistische Bundesamt berichtet, kehrten 37 Prozent der Kinder und Jugendlichen nach Beendigung der Maßnahme an ihren bisherigen Lebensmittelpunkt zurück – 36 Prozent bekamen ein neues Zuhause in einer Pflegefamilie, einem Heim oder einer betreuten Wohnform.
Neben den rund 30.000 Inobhutnahmen aufgrund einer Kindeswohlgefährdung mussten sich die Jugendämter in Deutschland 2022 auch um über 28.000 unbegleitet eingereiste minderjährige Flüchtlinge kümmern. Hinzu kamen außerdem noch 8.000 Fälle, in denen Kinder oder Jugendliche selbst um eine Aufnahme in einer Unterbringung gebeten hatten. Viele Jugendamtsmitarbeitende klagen deshalb über eine extrem hohe Arbeitsbelastung und fehlende Unterbringungsmöglichkeiten.
Unter Bezugnahme auf eine Umfrage des ARD-Magazins „Report Mainz“ berichtet die Tagesschau am 23.01.2024: „Rund 24 Prozent der antwortenden Jugendämter berichteten, dass Kinder 2023 aufgrund mangelnder Plätze in der Inobhutnahme in den Räumlichkeiten des Jugendamtes übernachten mussten, Kinder sogar Privatpersonen anvertraut würden oder Mitarbeiter des Jugendamtes Kinder mit nach Hause nehmen mussten.“ Die Kinderschutzexpertin Kathinka Beckmann sehe diese Entwicklung kritisch: »Es würde auch niemand von einem Arzt verlangen, den Frischoperierten jetzt mit nach Hause zu nehmen, weil kein Bett mehr im Krankenhaus frei ist.«