Eine neue Gestalt der Kirche

von Stefan Klinkhammer

Sonntag, 16.06.2024

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Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, Foto: Nicole Cronauge, Bistum Essen

Wie entwickelt sich die Gestalt der Kirche? Gerade tagte der Synodale Ausschuss zu seiner zweiten Sitzung. In Lateinamerika ist schon Jahrzehnte deutlich, welche Aufgabe Priester und Laien verbindet, weiß Adveniat-Bischof Franz Josef Overbeck in Essen

INFO: Der Reformdialog der katholischen Kirche in Deutschland wird im Synodalen Ausschuss fortgeführt. Der Synodale Ausschuss, der sich am 10./11. November 2023 in Essen konstituierte, kam am 14. und 15. Juni in Mainz zu seiner zweiten Sitzung zusammen.

Nachdem die Satzung des Synodalen Ausschusses von der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und dem Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz, dem die Ortsbischöfe aller 27 Bistümer angehören, angenommen wurde, hatten die Ausschussmitglieder die zwei weiteren Personen für das Präsidium des Ausschusses gewählt. Dieses besteht aus Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des ZdK, Mara Klein vom DFG-Projekt „Prekäre Anerkennung: Das „dritte Geschlecht“ in sozialethischer Perspektive“ an der Universität Münster, und Bischof Dr. Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz. Die geistliche Begleitung der Arbeit des Synodalen Ausschusses übernahmen Sr. Dr. Igna Kramp CJ (Fulda) und Dr. Peter Hundertmark (Speyer).

Aufgabe des Synodalen Ausschusses sind vier Aspekte: 1. Verständigung über den Begriff der Synodalität als Grundvollzug der Kirche unter Einbeziehung der Erfahrungen der Weltsynode; 2. Vorbereitung einer Evaluation der Umsetzung der Beschlüsse der Synodalversammlung; 3. Weiterentwicklung von Initiativen, die auf dem Synodalen Weg in den Synodalforen und der Synodalversammlung beraten worden sind; 4. Vorbereitung eines bundesweiten synodalen Gremiums, das kirchenrechtlichen Maßgaben entspricht.

Synodaler Ausschuss richtet Kommissionen ein

Die zweite Plenarversammlung des Synodalen Ausschusses in Mainz ist am 15. Juni mit der Einrichtung von drei Kommissionen zu Ende gegangen. Die Kommissionen werden Aufgaben und Fragen behandeln, die auf dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland fortgesetzt beraten werden sollen. Zuvor hatte der Ausschuss sich engagiert damit auseinandergesetzt, was es heißt, Synodalität als Strukturprinzip der Kirche zu verstehen.

Der Dogmatiker P. Prof. Bernhard Knorn SJ und die Kirchenrechtler Prof. Bernhard Anuth und Prof. Thomas Schüller gaben in ihren Impulsreferaten Anstöße zur Debatte. Sie wiesen auf die enge Verflechtung des Zweiten Vatikanischen Konzils mit dem derzeit laufenden synodalen Prozess der Weltkirche hin, ebenso auf die Bindung des Kirchenrechts an die Lehre der Kirche. Diskutiert wurde anschließend, was dies für die synodalen Prozesse in Deutschland und weltweit heißt. Dass das Generalsekretariat der Bischofssynode in Rom in der jüngsten Vergangenheit betont hat, „die Rezeption des konziliaren Lehramts“ stecke „in mancher Hinsicht noch in den Kinderschuhen“ wurde aufgegriffen und löste die Frage aus, wie das Kirchenvolk in diesen Prozessen besser repräsentiert sein könne. Ebenso wurde an den Missbrauchsskandal als Beweggrund des Synodalen Weges in Deutschland erinnert. Die systemischen Ursachen dieses Skandals müssten in logischer Konsequenz die Frage nach systemischen Veränderungen in der Kirche hervorrufen. Damit gehe auch die Frage einher, wie das Kirchenrecht auf diese Notwendigkeiten reagiere.

In die drei Kommissionen wurden jeweils zehn Mitglieder des Synodalen Ausschusses gewählt. Kommission I berät zur Synodalität als Strukturprinzip der Kirche und zur möglichen Ordnung eines Synodalen Rates. Kommission II fragt nach Evaluation und Monitoring der Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges. Kommission III kümmert sich um die Weiterentwicklung der Initiativen des Synodalen Weges. Die Mitglieder der Kommissionen finden sich unter www.synodalerweg.de/synodaler-ausschuss.

Die nächste Plenarversammlung des Synodalen Ausschusses wird am 13./14. Dezember 2024 in Wiesbaden-Naurod stattfinden. Eine Delegation der deutschen Bischöfe werde in nächster Zeit erneut zu Gesprächen in den Vatikan reisen, kündigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zum Abschluss der Ausschuss-Sitzung in Mainz an. Dem Vernehmen nach soll dies bereits Ende des Monats geschehen.

Der Synodale Ausschuss ist ein Ergebnis des 2019 von Bischöfen und Laien gestarteten Synodalen Wegs zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll unter anderem bis 2026 die Einrichtung eines Synodalen Rates vorbereiten, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam über wichtige innerkirchliche Fragen in Deutschland beraten und beschließen wollen. Dies hatte der Vatikan mehrfach abgelehnt, weil er darin eine mögliche Verletzung des Kirchenrechts und der Lehre von der Kirche als einer Hierarchie sieht, in der die Bischöfe und der Papst die letzte Verantwortung haben. Aktuelle Infos auf: https://www.synodalerweg.de/

Hilfe für die Kirche in Lateinamerika: Das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat hat im vergangenen Haushaltsjahr rund 35 Millionen Euro Spenden erhalten. Damit förderte es mit einem Volumen von etwa 31 Millionen Euro fast 1.200 Projekte in der Region, so Adveniat-Geschäftsführerin Tanja Himer bei Vorstellung des Jahresberichts in Essen. Die Gelder fließen zum Beispiel in langfristige Bildungs- und Entwicklungsprojekte, werden aber auch als Soforthilfen vergeben. So seien 70.000 Euro an Projektpartner in den brasilianischen Regionen, die von den schweren Überschwemmungen betroffen sind, gezahlt worden. Weitere sollen folgen. Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck rief dazu auf, die Ursachen für solche Naturkatastrophen nicht aus dem Blick zu verlieren: „Es sind ganz besonders die Länder und Menschen des Globalen Südens, die unter den Folgen des vor allem in den reichen Industrieländern verursachten Klimawandels leiden.“

Wie Bischof Overbeck ankündigte, soll bei der kommende bundesweite Adveniat-Weihnachtsaktion unter dem Motto „Glaubt an uns, bis wir es tun“ Jugendliche im Zentrum stehen. Lateinamerika sei im Vergleich zu Europa ein junger Kontinent. Mit dem Motto wolle Adveniat zeigen, dass „wir die Kraft und das Vertrauen haben, in junge Menschen zu investieren - bis sie es selbst tun“. Als Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland unterstützt Adveniat Projektpartner in 21 Ländern. Eine wichtige Spendenquelle ist die alljährliche Weihnachtskollekte, die aus den Kirchengemeinden an das Hilfswerk geht. Adveniat bilanziert im diesjährigen Jahresbericht den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. September 2023. Internet: Adveniat-Jahresbericht 2023 unter https://adveniat.de/bilanzpressekonferenz/)

Unser Gesprächspartner: Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck, geboren 1964 in Marl, ist seit 2009 Bischof von Essen. Nach dem Theologiestudium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Rom wurde er am 10. Oktober 1989 durch Joseph Kardinal Ratzinger zum Priester geweiht, war Kaplan in Haltern und Domvikar am St. Paulus-Dom in Münster. Im Anschluss an die Promotion zum Dr. theol. übernahm er im Jahr 2000 die Leitung des Instituts für Diakonat und pastorale Dienste im Bistum Münster, war Bischöflicher Beauftragter für den Ständigen Diakonat im Bistum Münster und Heimleiter im Deutschen Studentenheim. 2007 wurde er zum Weihbischof in Münster ernannt, residierender Domkapitular und Regionalbischof der Region Münster-Warendorf. Nach dem Tod von Bischof Dr. Reinhard Lettmann war er bis 2009 Diözesanadministrator des Bistums und wurde am 20. Dezember 2009 als vierter Bischof von Essen eingeführt. Seit 2010 ist Bischof Dr. Overbeck als Vorsitzender der Bischöflichen Kommission Adveniat verantwortlich für das katholische Lateinamerika-Hilfswerk der Deutschen Bischofskonferenz und Mitglied der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, seit 2011 Katholischer Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr und seit 2014 Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz. Als Delegierter der deutschen Bischöfe in der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) ist er seit 2018 tätig und ihr Vizepräsident. Kontakt: Sekretariat Bischof Overbeck, Burgplatz 2, 45127 Essen, Tel. 0201 / 2204-201; Internet: www.bistum-essen.de.

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