Einsamkeit trifft nicht nur alte Menschen
Sonntag, 21.07.2024
Die weltweite Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2023 hat viele Aspekte des Lebens verändert. Besonders in Deutschland ist ein Phänomen spürbar, das oft übersehen wird: die steigende Einsamkeit, vor allem unter jungen Menschen.
Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus wie Lockdowns, Social Distancing und die Schließung von Bildungseinrichtungen, haben das Sozialleben junger Menschen stark beeinträchtigt. Universitäten, Kindergärten und Schulen wurden geschlossen, Freizeitaktivitäten und Treffen mit Freunden waren stark eingeschränkt, was zu einer drastischen Reduktion der sozialen Interaktionen und Kontakte zu Gleichaltrigen führte, die gerade für junge Menschen so wichtig sind.
Verschiedene Studien haben einen Anstieg der Einsamkeit unter jungen Menschen während der Pandemie dokumentiert. Eine Umfrage des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2021 zeigte, dass sich fast 60 % der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen seit Beginn der Pandemie einsamer fühlten als zuvor. Eine weitere Studie der Techniker Krankenkasse von 2022 bestätigte diese Tendenz und zeigte, dass die Anzahl der Jugendlichen, die sich regelmäßig einsam fühlen, im Vergleich zu vor der Pandemie deutlich gestiegen ist.
Eine am 17. Juni 2024 vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung stellt fest, dass sich das Gefühl der Vereinsamung mit dem Ende der Pandemie keineswegs verflüchtigt hat. Bei einer Onlinebefragung vom März 2024 wurden die Antworten von 2.532 jungen Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren gesammelt und ausgewertet, die in Deutschland leben. Das Ergebnis: 35 Prozent der 16- bis 30-Jährigen gibt an, sich „moderat einsam“ zu fühlen, weitere 11 Prozent fühlen sich sogar „stark einsam“. Junge Frauen sind laut der Umfrage häufiger von Einsamkeit betroffen als junge Männer. Am stärksten fühlten sich Menschen zwischen 19 und 22 Jahren von Einsamkeit belastet, hieß es.
Experten zufolge ist der Anteil derjenigen, die sich sozial und emotional einsam fühlen, 2024 zwar etwas gesunken. Die Bertelsmann-Stiftung sieht darin jedoch keinen Grund zur Entwarnung. Einsamkeit sei bei jungen Erwachsenen insgesamt immer noch stark verbreitet ist und lege weiterhin über den Vor-Pandemie Werten. Damit sei Einsamkeit kein Problem, das nur oder überwiegend ältere Menschen betreffe.
Wie der Evangelische Pressedienst (epd) berichtet, wurde in der Onlinebefragung der Bertelsmann-Stiftung auch die Lebenszufriedenheit ermittelt: „Demnach sind junge Menschen in Deutschland mit ihrem Leben mäßig zufrieden. Der Wert lag bei 6,75 auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (völlig zufrieden).“ Neben den Langzeitfolgen aus der Corona-Pandemie scheinen auch noch weitere Faktoren die Einsamkeit zu begünstigen. Dazu zählen die Forscher „Arbeitslosigkeit, ein niedriger Schulabschluss oder ein Migrationshintergrund. Ebenso seien junge Menschen häufiger von Einsamkeit betroffen, wenn sie geschieden oder verwitwet sind sowie in mittelgroßen Städten leben.“
Einsamkeit ist eng mit psychischen Gesundheitsproblemen verbunden. Junge Menschen, die sich einsam fühlen, haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) warnt vor den langfristigen Folgen dieser Entwicklung, da sich psychische Probleme oft bis ins Erwachsenenalter verfestigen können. Außerdem – so ein weiteres Fazit der Bertelsmann-Studie – „neigen einsame Menschen eher zu extremen politischen Einstellungen und glauben eher als nicht einsame an politische Verschwörungserzählungen. Das heißt, ein hohes Ausmaß an Einsamkeit ist auch eine Gefahr für unsere Demokratie.“
Gerade während der Pandemie haben viele junge Menschen vermehrt soziale Medien genutzt, um in Kontakt zu bleiben. Allerdings sind die Auswirkungen von sozialen Medien auf die Einsamkeit ambivalent. Einerseits bieten sie eine Plattform zur Kommunikation und Vernetzung, andererseits können sie aber auch Gefühle der Isolation und Unzulänglichkeit verstärken. Studien zeigen, dass exzessive Nutzung sozialer Medien mit einem Anstieg von Einsamkeitsgefühlen korreliert.
Um der steigenden Einsamkeit entgegenzuwirken, sind verschiedene Maßnahmen notwendig. Bildungseinrichtungen und Arbeitgeber sollten Programme zur Förderung der psychischen Gesundheit und sozialen Interaktion implementieren. Niedrigschwellige Angebote wie Online-Beratungen und Selbsthilfegruppen könnten Betroffenen helfen, Unterstützung zu finden. Zudem sollten gesellschaftliche Initiativen gefördert werden, die das soziale Miteinander stärken.
Wer sich einsam fühlt und darüber sprechen möchte, kann die Nummer gegen Kummer anrufen, das Kinder- und Jugendtelefon unter 116 111 - hier gibt es telefonische Beratung und Unterstützung für Kinder und Jugendliche, anonym und kostenlos, von Montag bis Samstag von 14:00 bis 20:00 Uhr. Kostenlose und anonyme Beratung für alle Altersgruppen bietet außerdem auch die Telefonseelsorge unter der Nummer 0800 - 1110111 oder 0800 - 1110222