EKiR senkt Hürden bei Taufe, Abendmahl & Co.
Sonntag, 04.02.2024
Gesetze, Erlasse und Verordnungen regulieren und bestimmen unser Leben auf vielfältige Weise – von der Steuerklasse bis zur Sterbeurkunde. Auch die evangelische Kirche kennt reichlich Vorschriften – und hat nun angefangen „auszumisten“.
Vorreiter ist in dem Fall die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR). Ihr Gebiet erstreckt sich von Emmerich im Norden bis ins Saarland und von Aachen bis nach Gummersbach. Neben Teilen von NRW umfasst sie außerdem Teile von Rheinland-Pfalz sowie Hessen. Mit knapp 2,2 Millionen Mitgliedern in 37 Kirchenkreisen und 605 Gemeinden ist die EKiR die zweitgrößte unter den 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland.
Ihr wichtigstes Leitungs- und Beschlussorgan ist die einmal jährlich tagende Landessynode – eine Art „Kirchenparlament“ mit Abgeordneten, die aus allen Ebenen der Kirche zusammenkommen – von der Landeskirche über die Kirchenkreise bis hin zu den Gemeinden. Gemeinsam entscheiden sie über die Verteilung der Kirchensteuer, beschließen Kirchengesetze und den Haushalt, diskutieren über gesellschaftliche wie theologische Fragen und verabschieden Apelle oder Resolutionen - auch zu politischen Fragen.
Bei der jüngsten Landessynode, die vom 15. bis 19. Januar 2024 in Düsseldorf tagte, haben sich die 198 Abgeordneten und die zuständigen Ausschüsse u.a. auch mit der Kirchenordnung und dem Lebensordnungsgesetz befasst und dabei tiefgreifende Veränderungen beschlossen. Insbesondere die Lebensordnung bezeichnete der Vizepräsident der EKiR, Dr. Johann Weusmann, als „die Herzkammer der Kirche: Da geht es um den Gottesdienst, da geht es um die Amtshandlungen, das heißt, um die Taufe, die Konfirmation, die Trauung, die Beerdigung – also die Dinge, wo wir Menschen an den Wendepunkten im Leben begleiten.“
In der Vergangenheit seien die Durchführung von Gottesdiensten und Amtshandlungen sowohl im Kirchengesetz als auch in der Lebensordnung geregelt worden. Die Landessynode habe nun die Kirchenordnung zugunsten der Lebensordnung entschlackt und dort gleichzeitig die Vorschriften hinsichtlich der Gottesdienste und der Amtshandlungen vereinfach und Zugangshürden abgesenkt. Zur Begründung sagt Weusmann: Die Lebenswirklichkeit sei über manche Vorgaben, die man früher formuliert hatte, hinweggegangen, so dass man sie in der neuen Lebensordnung habe anpassen wollen.
Im Vorfeld der Landessynode hatte die Kirchenleitung deshalb im Gespräch mit den rheinischen Kirchengemeinden und -kreisen Änderungswünsche eingesammelt, die nun in die neue Lebensordnung eingeflossen seien. Dazu erklärte Vizepräsident Weusmann am 19.1.2024 auf der Abschluss-Pressekonferenz der Landessynode: „Ganz wesentlich ist, dass die Amtshandlungen künftig auch außerhalb der Ortskirchengemeinde ohne Genehmigung möglich sind. Und der andere Punkt ist, dass Gottesdienste nicht mehr an bestimmte Orte gebunden sind.“ Künftig gelte lediglich: Gottesdienste wie auch Amtshandlungen müssten für jedermann öffentlich zugänglich sein – der konkrete Ort sei zweitrangig.
Das bedeutet zum Beispiel, das weder der Gottesdienst noch eine kirchliche Trauung oder eine Taufe zwingend in der Kirche stattfinden müssen. Künftig sind auch andere Orte möglich, ohne dass dafür zuvor eine entsprechende Genehmigung eingeholt werden müsste. Durch die Absenkung oder sogar Beseitigung weiterer Hürden soll den Menschen außerdem der Zugang zu den evangelischen Amtshandlungen erleichtert werden. Der Evangelische Pressedienst (epd) hat die wichtigsten Änderungen so zusammengefasst:
TAUFEN: Jede und jeder darf ab sofort getauft werden, auch wenn bei Kindern keines der Elternteile evangelisch ist. Voraussetzung ist, dass eine christliche Erziehung zugesichert wird – zum Beispiel durch die Großeltern oder die Taufpaten.
ABENDMAHL: Am Abendmahl dürfen nun alle getauften Menschen teilnehmen, also auch kleine Kinder und Säuglinge, die dann Traubensaft trinken oder gesegnet werden können. Bisher mussten Menschen für die Teilnahme am Abendmahl konfirmiert sein, für Kinder war eine Sondergenehmigung nötig.
ORTE: Wenn es besondere Wünsche für Amtshandlungen gibt, etwa eine Trauung an einem für das Paar besonderen Ort oder eine Taufe unter freiem Himmel, ist dies künftig auch ohne Genehmigung möglich. Die Evangelische Kirche im Rheinland teilt dazu mit: „Für Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen außerhalb der eigenen Ortsgemeinde ist keine kirchliche Ausnahmegenehmigung mehr notwendig. Die eigentlich zuständige Pfarrperson muss nicht länger um Erlaubnis, sondern nur noch um die nötigen Informationen gebeten werden. Die für die Amtshandlung erforderlichen Nachweise brauchen auch nicht mehr selbst zusammengetragen werden, sondern werden von den Gemeindebüros bzw. Verwaltungsämtern zur Verfügung gestellt. Die bisherigen Einschränkungen in Bezug auf den Ort für Gottesdienste zu Amtshandlungen (Taufe, Konfirmation, Trauung, Bestattung) entfallen. Einzige Regel ist, dass der Gottesdienst öffentlich sein soll.“
PATENAMT: Um Patin oder Pate eines Täuflings zu werden, ist künftig keine Konfirmation mehr nötig, hier reichen Taufe und Kirchenmitgliedschaft. Der Taufpate muss außerdem religionsmündig sein, d.h. älter als 14 Jahre.
GOTTESDIENSTE: Eine Reihe spezifischer Vorgaben fällt weg. Gemeinden dürfen selbst über mehr Details der Gottesdienstgestaltung entscheiden. Das betrifft etwa die Orte, Zeiten und Inhalte. Dazu erklärte Oberkirchenrätin Dr. Wibke Janssen: „Die neue Lebensordnung fördert vielfältige Gottesdienst-Landschaften. Es heißt nicht mehr: In jeder Kirche ist an jedem Sonntag um 10 Uhr Gottesdienst, sondern das kann vielfältig und unterschiedlich gestaltet werden.“
Die oben aufgeführten Beschlüsse gelten in der Regel ab März 2024 und derzeit auch nur im Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland. Ähnliche Erleichterungen werden allerdings auch schon auf der Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) diskutiert. Käme die zu vergleichbaren Schlüssen, könnten weitere evangelische Landeskirchen bald nachziehen.