Esther Bejarano erzählt gegen das Vergessen
Sonntag, 05.02.2017
Die Eltern und eine Schwester von Esther Bejarano wurden von den Nazis in Kowno ermordet. Sie selbst überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück. Bis heute kämpft sie gegen Rechtsradikalismus, Neo-Nazis und Menschenverachtung.
Esther Bejarano war gerade mal 18 Jahre alt, als sie von den Nazis in einem Viehwaggon nach Auschwitz deportiert wurde. Sie überlebte das Lager, weil sie singen und Musik machen konnte. Das Mädchenorchester in Auschwitz war ihre Rettung. Die Musikerinnen blieben von der Vernichtung verschont, mussten aber immer wieder "Privatkonzerte" für SS-Angehörige des Lagers spielen, und sie begleiteten täglich den Aus- und Einmarsch der Arbeitskolonnen im KZ Auschwitz-Birkenau.
Bei einem der "Todesmärsche" von KZ-Häftlingen kurz vor Kriegsende kann Ester Bejarano fliehen. Die Befreiung durch die vorrückende Rote Armee erlebt sie in Lübz, einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern. Im September 1945 wandert sie nach Palästina aus, kehrt aber 1960 wieder nach Deutschland zurück. Wie viele andere, die den Holocaust überlebt haben, kann sie jahrelang nicht über das Erlebte sprechen. Doch als in den 1970er Jahren direkt vor ihrem kleinen Geschäft ein Stand der NPD aufgebaut wird, wendet sich das Blatt.
Bejarano bricht ihr Schweigen und kämpft seitdem unermüdlich gegen das Vergessen und Verdrängen des Holocaust. Dieses Menschheitsverbrechen dürfe sich nie wiederholen, sagt die heute 92jährige: "Deswegen habe ich mir vorgenommen, dass ich die Menschen aufkläre, zumindest die Jugend. Das ist ganz, ganz wichtig." Ihren Zuhörern schärft sie dabei immer wieder ein: "Ihr seid nicht schuld an dem, was damals geschah. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr über diese schrecklichen Verbrechen nichts wissen wollt."
Und so reist Esther Bejarano trotz ihres hohen Alters immer noch durch Deutschland, um in Schulen und bei Kulturveranstaltungen von ihrem Leben zu erzählen und zu mahnen: "Das ist anscheinend meine Bestimmung. (…) Ich hab mal geäußert, ich werde solange Musik machen und solange singen, und auf der Bühne stehen, bis es keine Nazis mehr gibt. (…) Denn das, was wir erlebt haben, in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern und in den Ghettos und so weiter - diese Nicht-Achtung von Menschen, das darf nie wieder passieren."
Buchtipp:
Esther Bejarano: "Erinnerungen. Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen Rechts"
LAIKA Verlag (2013), 208 Seiten, Preis: 21 Euro