Ex-Manager findet im Knast zum Glauben
Donnerstag, 11.06.2020
Zu seinen besten Zeiten als Top-Manager hatte Dr. Thomas Middelhoff (Foto) ein siebenstelliges Jahreseinkommen. Und für den Arbeitsweg von Bielefeld nach Essen nutzte er gerne mal den Hubschrauber. Aber dann kam der Absturz.
2014 verurteilte ihn ein Gericht wegen Steuerhinterziehung und Untreue zu drei Jahren Haft. Die ersten Wochen zwischen November 2014 und April 2015 verbrachte der frühere Top-Manager von Bertelsmann und Arcandor in einer Haftanstalt in Essen. Im Mai 2015 wurde er in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne verlegt und nahm im gleichen Monat als Freigänger eine Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld auf. Nachdem Middelhoff zwei Drittel seiner Strafe verbüßt hatte, wurde er im November 2017 aus der Haft zu entlassen. Die Reststrafe wurde vom Gericht für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Während seiner Haftzeit hat Thomas Middelhoff ein Buch geschrieben, das 2017 im Verlag LangenMüller erschienen ist. Der Titel „A115. Der Sturz“ nimmt Bezug auf die Nummer seiner Zelle in der JVA Essen, wo er die ersten fünf Wochen seiner Inhaftierung verbrachte. „Man kann das Buch gar nicht missverstehen“, schreibt die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ in einer Rezension: „Es ist eine Abrechnung: Erst hat die Justiz Thomas Middelhoff verurteilt, jetzt verurteilt Thomas Middelhoff die Justiz. (…) Übertrieben wirken seine Vorwürfe gegenüber Banken, Richtern, Unternehmern, Medien und Politikern, die zu seinem Niedergang beigetragen hätten. Er nennt sie alle beim Namen, und es stehen sehr viele Namen in diesem Buch. Und ja, ganz am Ende erkennt er auch Fehler an sich selbst. Immerhin.“
Seinen eigenen Angaben zufolge hat Middelhoff im Gefängnis zu seinem katholischen Glauben zurückgefunden. Es sei ihm in der Haft ein großes Bedürfnis gewesen, den Sonntagsgottesdienst in der JVA besuchen zu können: „Das war für mich eigentlich der eindrucksvollste Gottesdienst, den ich bis dahin in meinem Leben hatte“, sagt der heute 66jährige rückblickend. Auf seinen Antrag hin habe man ihm dann auch eine Bibel zugestanden, erinnert er sich: „Morgens um 5 hab ich dann jeden Tag erstmal in der Bibel gelesen, bevor das Gefängnis sozusagen erwachte.“
Nach mehr als 40 Jahren sei er im Gefängnis auch das erste Mal wieder zur Beichte gegangen, so Middelhoff: „Und so hat sich mein Leben sehr stark verändert in Richtung Glauben. Und ich bin auch der festen Überzeugung, ohne den Glauben oder die Rückbesinnung auf den Glauben hätte ich auch diese schwere Prüfung im Gefängnis nicht so überstehen können.“