Fast ein "alter Hut": Inklusion & Kirche
Sonntag, 19.10.2014
Mit dem neuen Schuljahr 2014/15 ist in NRW die erste Stufe der Inklusion gestartet: In den Klassen 1 und 5 haben behinderte Kinder und solche mit erhöhtem Förderbedarf einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Regelschule.
Für insgesamt 2500 Lehrkräfte stellt das Land NRW Geld für Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung, bei denen Fachlehrer in Sonderpädagogik geschult werden sollen. Bis zum Ende der Sommerferien haben rund 150 Lehrkräfte von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Während das Thema Inklusion für die Schulen noch relativ neu ist, hat die Kirche damit schon länger Erfahrung. Beispiel Konfirmandenarbeit: der wöchentliche „KU“ (kirchlicher Unterricht) bringt Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Schichten zusammen und fördert hier gemeinsames Leben und Lernen.
Auch der 2013 zum dritten Mal vergebene evangelische Jugend-Projekt-Preis "JUPP!" stand im vergangenen Jahr ganz im Zeichen der Inklusion. Unter dem Motto "all inklusive – alle sind dabei!" waren evangelische Jugendgruppen und –einrichtungen aus ganz Deutschland aufgerufen, sich mit eigenen Projekten an diesem bundesweiten Wettbewerb zu beteiligen und zu zeigen, "wie es gelingt, dass Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung und unabhängig von ihrer geographischen, sozialen oder kulturellen Herkunft ganz selbstverständlich dabei sein können."
Die Auszeichnung ging schließlich u.a. an die Aktion „Sail Together – Inklusives Segeln“ aus Dortmund und an das internationale, inklusive Begegnungsprojekt „EuroContact“ der Evangelischen Jugendbildungsstätte Nordwalde. Das jährliche Treffen für rund 60 junge Europäer mit und ohne Behinderung im Alter zwischen 16 bis 26 Jahren findet nach Angaben des Ev. Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken bereits seit mehr als 30 Jahren statt.
„Inklusion ist sehr viel umfassender als Integration“, sagt Kirchenrat Stefan Drubel, der im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland zuständiger Dezernent in der Bildungsabteilung ist: „Integration bedeutet, dass wir Menschen in ein vorhandenes System hineinholen, man macht sozusagen für sie ein Türchen auf und sagen: «Hier könnt ihr reinkommen.» Inklusion bedeutet, dass wir ein System so gestalten, dass es allen gerecht wird.“
Was das konkret bedeutet, erklärt Drubel an einem Beispiel. In seiner Zeit als Gemeindepfarrer vor 16 Jahren hatte er ganz spontan und kurzfristig ein Mädchen im Rollstuhl mit auf eine Jugendfreizeit genommen. Unterkunft, Ausflüge – alles sei da schon gebucht gewesen, trotzdem habe er das Mädchen mitgenommen, obwohl nichts wirklich rollstuhlgerecht oder barrierefrei gewesen sei. Aus dieser Erfahrung habe er gelernt und sich für die nächste Freizeit von mehreren Rollstuhlfahrern beraten lassen: „Wie können wir so eine Freizeit von vornherein so planen, dass ihr immer mitkommen könnt? Was braucht ihr? Ja, und da ist dann so etwas entstanden wie die Idee von einer «inklusiven Freizeit»“.
Beim Stichwort „Inklusion“ dürfe man nicht nur an Menschen mit einer Behinderung denken, meint Kirchenrat Stefan Drubel: „Bei Inklusion geht es grundsätzlich um alle Menschen, die in einer Kirchengemeinde, einem Stadtteil, einer Stadt oder auch in einem Land leben. Die Menschen sind ja ganz verschieden, ihre Herkunft, ihr Glaube, ihr Alter, ihre sexuelle Orientierung, ihre Leistungsfähigkeit, ihre Beweglichkeit und vieles mehr.“