Franz Alt: „Was hat Jesus wirklich gesagt?"

von Manfred Rütten & Christian Besau

Sonntag, 29.11.2020

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"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" - eines von vielen Jesus-Zitaten aus dem Neuen Testament. (Foto: Pixabay)

Im Neuen Testament der Bibel, in dem die Lebens- und Leidensgeschichte Jesu Christi erzählt wird, sind viele Zitate von Jesus überliefert. Der Buchautor und Journalist Franz Alt hat jedoch an vielen Stellen Zweifel, ob die Worte wirklich so gefallen sind.

Seine Kritik fasst er im Interview mit Christian Besau vom Evangelischen Rundfunkdienst Baden so zusammen: „Jesus hat aramäisch gesprochen. Leider sind alle Bibeln der Welt - das sind viereinhalb Milliarden, also das meistgekaufte Buch der Welt - aus dem Griechischen übersetzt. Und ich kann aufzeigen, wenn man zum aramäischen Jesus zurückgreift, dass etwa 50 % aller Jesus-Worte in der griechischen Übersetzung falsch übersetzt sind. Wenn die Worte nicht stimmen, ist die ganze Botschaft falsch. Ich glaube, wir müssen zurück zum aramäischen Jesus, dann wird Jesus und seine Botschaft und damit die Kirche wieder viel spannender, als es heute der Fall ist.“

Seine Sicht auf die Worte Jesu und deren Übersetzung hat Franz Alt 2015 in seinem Buch „Was hat Jesus wirklich gesagt?“ aufgeschrieben und veröffentlicht. Dort nennt er auch Beispiele für die – aus seiner Sicht – Fehlübersetzungen: „Im Neuen Testament steht als Jesus-Zitat: »Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.« Also das passt nun wirklich nicht zum pazifistischen Jesus der Bergpredigt. (...) Aus dem Aramäischen klingt das ganz anders. Aus dem Aramäischen übersetzt hat Jesus gesagt: »Ich bin nicht gekommen Harmonie zu verbreiten, sondern Streitgespräche zu führen.« Das ist der Jesus, so wie ich ihn aus der Bergpredigt kenne.“

In einem weiteren Beispiel seziert Franz Alt eine Bitte aus dem Vaterunser: „»Und führe uns nicht in Versuchung« - bittet er [Jesus] seinen Vater. Was ist das für ein Vaterbild, was ist das für ein Gottesbild? Dieser Vater Jesu war doch kein Zyniker, der uns, seine Geschöpfe, in Versuchung führen will. Aus dem Aramäischen übersetzt heißt diese Vaterunser-Bitte „Und führe uns in der Versuchung“ - etwas völlig anderes.“

In seinem Artikel „Die Muttersprache des Messias“ bestätigt Prof. Dr. Thomas Söding, der an der Universität Bochum Neues Testament lehrt, dass Jesus Aramäisch gesprochen hat. Es war die Alltagssprache jener Zeit, während das verwandte Hebräisch eher die Sprache „der Bibel, der Tora und der Propheten, die Sprache der Psalmen und des Gottesdienstes“ gewesen sei. Zwar sei das Neue Testament, in dem Jesu Leben erzählt wird, auf Griechisch verfasst worden. Dennoch seien darin aber auch mehrere aramäische Worte im Original überliefert.

Söding schreibt: „Am bekanntesten ist der Gebetsruf Jesu: »Abba«. Markus verbindet ihn mit der Erinnerung an das Getsemani-Gebet (Mk 14,36). Paulus greift das Wort zweimal auf, um in einem griechischen Brief einer griechischsprachigen Gemeinde die Muttersprache Jesu beizubringen, in der sie als Kinder Gottes, vom Heiligen Geist inspiriert, so beten können, wie Jesus seine Jünger zu beten gelehrt hat: »Abba, Vater« (Gal 4,6; Röm 8,15). Am Kreuz schreit Jesus nach Markus auf Aramäisch: „Eloï, Eloï, lema sabachtani?“ (Mk 15,34; vgl. Mt 27,46). Die Getsemani-Bitte und der Kreuzesruf sind die einzigen Gebete Jesu, deren Inhalt Markus und Matthäus überliefern – beide Male auf Aramäisch: Der Hinweis auf die Sprache des Herzens Jesu ist klar. Jesus hat gewöhnlich Aramäisch gesprochen. »Talita kum!«, sagt er nach Markus der Tochter des Jaïrus, um sie von den Toten aufzuwecken (Mk 5,41).“

Anders als Franz Alt kommt Prof. Dr. Thomas Söding in seinem Artikel zu dem Schluss: „Überall dort, wo Nachprüfungen sicher möglich sind, stimmen die neutestamentlichen Übersetzungen.“ Auch meldet er Zweifel an der Methode an, die Franz Alt als Rückübersetzung des Griechischen ins Aramäische beschreibt: „Eine Übersetzung ins Aramäische ist nicht grundlegend anders zu beurteilen als eine ins Lateinische oder Deutsche. Es gibt immer verschiedene Möglichkeiten. Es kann nicht angehen, eine bestimmte Übersetzung als die einzig richtige auszugeben und von ihr aus die griechische Form als Fehler auszuweisen. Wie soll es methodisch möglich sein, auf der Basis eines angeblich verderbten griechischen Textes ein angeblich reines Original zu destillieren und von ihm her den Ausgangstext als falsch zu demaskieren?“

Sonntag, 29.11.2020