Friedhöfe: Refugien für Tiere und Pflanzen
Sonntag, 21.07.2024
Beim Stichwort Friedhof denken wahrscheinlich die meisten Menschen erstmal an Tod und Vergänglichkeit. Dabei tobt hier sozusagen das pralle Leben: Viele Pflanzen und vor allen Dingen auch Tiere finden auf Friedhöfen einen geschützten Lebensraum.
Sträucher und Hecken, blühende Grabpflanzen, alte Bäume, Kompostecken und grüne Wiesen schaffen ein ideales Zuhause für viele Vogelarten, aber auch für Insekten, Frösche oder kleinere Säugetiere wie Eichhörnchen und Igel. Und der Lebensraum, der sich ihnen auf dem Friedhof bietet, wird immer größer. Das hat vor allem mit Veränderungen in der Bestattungskultur zu tun, die dazu führen, dass immer mehr Friedhofsflächen brachliegen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat im Dezember 2021 eine gut 40seitige Broschüre mit dem Titel „Friedhöfe im Wandel der Zeit“ veröffentlicht. Sie kann als PDF-Datei hier heruntergeladen werden. Hier werden die Problemfelder klar benannt:
„Das Bestattungswesen und damit auch die Friedhöfe sind eng mit der demografischen Entwicklung verbunden. Ein Bevölkerungsrückgang, auch lokal, führt zu rückläufigen Bestattungszahlen. Darüber hinaus haben die unterschiedlichen Lebensentwürfe und Bedürfnisse der Menschen Auswirkungen auf das Trauer- und Bestattungsverhalten, was sich auch auf das Friedhofswesen auswirkt, etwa durch einen Rückgang an der Nachfrage nach klassischen Erdgräbern. Im Gegensatz dazu werden vor allem pflegearme bzw. pflegefreie Urnen- und Gemeinschaftsgrabstätten verstärkt nachgefragt. (…) Durch die preiswerteren Urnenbestattungen nehmen die Friedhöfe grundsätzlich weniger ein, was dazu führt, dass die Gebühren erhöht werden müssten, da die Pflege der Anlage für die Attraktivität entscheidend ist.“
Die sich verändernde Bestattungskultur, ungenutzte Grabflächen und dadurch geringere Einnahmen, die wiederum zu Gebührenerhöhungen zwingen, treffen alle Friedhofsbetreiber gleichermaßen. Bundesweit gibt es etwa 32.000 Friedhöfe. Den größten Teil davon bewirtschaften die Kommunen, ein Drittel ist in kirchlicher Trägerschaft (7.900 evangelische und 3.600 katholische). Sie alle müssen sich an die veränderten Bedingungen anpassen. Das eröffnet aber auch neue Chancen.
So unterstützt etwa die Evangelische Kirche von Westfalen die Idee vom „Lebensraum Friedhof“ und hat sogar ein eigenes Programm dafür gestartet: den Biodiversitäts-Check. Kirchengemeinden bekommen fachliche und finanzielle Hilfe, wenn sie ihre Friedhöfe ökologisch umgestalten wollen. Ein Beispiel: Die Ev. Kirchengemeinde Dortmund-Hörde hat auf dem ungenutzten Teil ihres Neuen Friedhofes ein rundes Beet zur Selbstversorgung angelegt. Den Initiatorinnen liegen der Schöpfungserhalt und der pädagogische Aspekt am Herzen. Sie wollen Kindern und Erwachsenen Antworten geben auf die Frage: Wo kommt unser Essen eigentlich her? Das Beet dient als außerschulischer Lernort und bereichert das Gemeindeleben.
Ein anderes Beispiel sind die „Oasen der Vielfalt“ auf den ehemaligen Friedhofsflächen der Bochumer Melanchthonkirche. Dabei handelt es sich um „ein gemeinschaftliches Projekt, in dem Menschen aus dem Stadtteil Verantwortung übernehmen und sich aktiv an der naturfreundlichen Gestaltung der kirchlichen Flächen beteiligen. (…) Ziel ist es, Stoffkreisläufe wiederherzustellen (z.B. durch Kompostierung), Lebensräume für Tiere zu schaffen und Pflanzenstrukturen zu erkennen und fördern.“ Auch an vielen anderen Orten – etwa in Meschede, Ibbenbüren und Gütersloh – versuchen evangelische Gemeinden, ihre Friedhöfe ökologischer zu gestalten. Dazu gehören u.a. die Anlage eines künstlichen Teiches oder einer Wildblumenwiese, der Bau eines „Bienenhotels“ oder die Einrichtung von Totholz-Ecken, die vor allem für Käfer und andere Insekten wertvollen Lebensraum schaffen.
Unter dem Titel „Förderung der Biodiversität auf Friedhöfen - Oase der Vielfalt - Friedhofskonzept, Maßnahmenkonzept Strukturvielfalt“ hat die Biologin Sofia Zeisig Tschijevski einen 10seitigen Maßnahmenkatalog vorgelegt, mit dessen Hilfe kirchliche und kommunale Träger die Biodiversität auf ihren Friedhöfen steigern können. Das Papier kann man hier herunterladen.