Frohe Ostern: Wo die Uhren anders gehen

von Christof Beckmann

Sonntag, 17.01.2021

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Heute wünschen sie sich in der Bauerschaft Gemen „Frohe Ostern“ – wirklich wahr - und das seit 385 Jahren. Ein eigenartiger Brauch, der mit einem Mann zusammenhängt, der in Ägypten das Mönchstum erfunden hat: Antonius, heute auf dem Kalender...

INFO: Pandemien und Klimawandel sind keine Erscheinungen der Neuzeit, sondern begleiten die Menschheit schon immer: So bieten die Ereignisse des 14. Jahrhunderts nach rund 200 Jahren positiver Entwicklungen einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis vieler wirtschaftlicher, sozialer, politischer und religiöser Phänomene. Dies zeigt eine aktuelle Untersuchung des Klimahistorikers Wolfgang Behringer, der die von 1315 bis 1321/22 fast alle Regionen Nordeuropas bis zu den Alpen beherrschende große Hungersnot als „Mutter aller Krisen“ bezeichnet. Der vor 700 Jahren (1321/22) geendete wohl größten gesamteuropäischen Hungersnot des vergangenen Jahrtausends folgte wenige Jahre mit dem „Schwarzen Tod“ (1346-1353) die verheerendste bekannte Pandemie weltweit: Etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas fiel der Pest zum Opfer. Forscher der Leibniz-Institute für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) und für Troposphärenforschung (Tropos) in Leipzig sehen dabei erstaunliche Parallelen zu Klimaveränderungen der heutigen Zeit, wie sie jetzt in einem Beitrag für das Fachjournal „Climate of the Past“ schreiben. Behringer führt die hohe Sterblichkeit auch auf die durch die vorangegangenen Krisen geschwächte Widerstandskraft der Menschen zurück. Das Buch: Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, Beck-Verlag, München 2007

Die Pest im heutigen NRW: Die vor 675 Jahren auftretende Beulenpest breitete sich bis 1352 hauptsächlich entlang von Schifffahrtswegen und Handelsstraßen aus und tötete bis zu einem Drittel der Bevölkerung. Historische Forschungen zeigen, dass in Westfalen vor allem das Gebiet zwischen Eggegebirge und Weser sowie um Paderborn überproportional stark von der Pest betroffen war, das Münsterland dagegen weitaus weniger. Die ab 1350 im Abstand von 10 bis 15 Jahren immer wieder neu einsetzenden Epidemien führen dabei zu einer Umkehr in der demografischen Entwicklung, erst gegen 1500 und im 16. Jahrhundert kommt es wieder zu einem stärkeren demografischen Aufwärtstrend. In dieser Zeit erfahren in der Volksfrömmigkeit zahlreiche Heilige, denen eine besondere Schutzfunktion gegen die unheilbaren Krankheiten zugeschrieben wird, eine neue Bedeutung. Unter ihnen Ägidius, Antonius von Padua, Blasius von Sebaste, Christophorus, Cosmas und Damian, Georg, Johannes der Täufer, Quirinus von Neuss, Rochus, Sebastian, aber auch Antonius der Große.

Antonius Abbas oder Antonius Eremita: Das Leben des um 251 geborene und 356 gestorbene Mönchs, Asketen und Einsiedlers ist bereits in der Vita Antonii (ca. 360) von Athanasios (um 300–373), Bischof von Alexandria, überliefert. Er stammte aus Mittelägypten und folgte der Legende nach dem Bibelwort „Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe was du hast, und gib es den Armen; so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!“ (Mt 19,21). Er verschenkte sein Eigentum, um sich während der Diokletianischen Christenverfolgungen in die Einsamkeit zurückzuziehen. Der von vielen als Ratgeber geschätzte Einsiedler, der mit Kaiser Konstantin und seinen Söhnen korrespondierte, lebte in einer ägyptischen Grabkammer, später in der Wüste am Golf von Suez und wurde nach der Überlieferung oft von quälenden Visionen heimgesucht. Viele Schüler wählten ebenfalls das Eremitenleben, darum gilt Antonius als Begründer des christlichen Mönchtums. Seine Verehrung breitet sich seit dem 5. Jahrhundert auch im Abendland aus und nahm seit der Übertragung der Reliquien nach Frankreich weiter zu.

Seit dem Ende des 11. Jahrhunderts wurde er zum Namensgeber für das „Antoniusfeuer“, eine Seuche, die sich durch einen vorwiegend im Roggen wachsenden giftigen Getreidepilz (Mutterkorn) verbreitete: Die dadurch verursachten Vergiftungen führten zu Wahnvorstellungen, Krämpfen, absterbenden Fingern und Zehen, Atemlähmung und Kreislaufversagen. Der zur Pflege der Kranken 1059 in Frankreich gegründete Antoniter-Orden verbreitete sich in ganz Europa, baute rund 370 Hospitäler und hatte als Gegenleistung für die Krankenpflege das Recht, das „Antoniusschwein“ auf Kosten der Allgemeinheit frei laufen zu lassen. Im Süddeutschen wurde der Heilige darum zum „Sau- oder Fackentoni“, in Nord- und Westdeutschland zum „Swinetüns“ – auch zur Unterscheidung von seinem heiligen Namensbruder aus Padua, des Patrons der Vergesslichen, daher „Klüngelanton“ genannt. Der Orden wurde 1777 mit dem Malteserorden vereinigt, in Folge der Französischen Revolution wurden auch die letzten deutschen Ordenshäuser in Köln und Höchst geschlossen. Das Thema der Versuchungen und Peinigungen des heiligen Antonius sind wichtiges Motiv in Kunst und Literatur. Dargestellt wird der Heilige zumeist mit Schriftrolle, einem Schwein, einer Glocke, dem T-förmigen Antoniuskreuz und Krückstock. Er gilt als Schutzpatron der Haustiere, vor allem der Schweine, der Metzger und Bauern. Gedenk- und Namenstag des Heiligen ist der 17. Januar.

Antoniusfest Schöppingen Gemen: Das Fest des hl. Abtes Antonius wird seit 1636 in der Filialgemeinde St. Antonius in der Schöppinger Bauernschaft Gemen besonders festlich begangen. Im Dreißigjährigen Krieg herrschte dort eine massive Pestepidemie, der Schöppinger Friedhof reichte nicht nur die Zahl der dorthin gebrachten Pesttoten und ein heute noch existierender eigener Pestfriedhof musste angelegt werden. Um Fürsprache riefen die Gemener Bauern den hl. Antonius an und gelobten, zu seiner Ehre eine Kapelle zu bauen, dort zu seinem Festtag am 17. Januar die große Antonius-Betstunde abzuhalten und den Tag vorher als strengen Fast- und Abstinenztag wie Karfreitag zu begehen. Der Festtag selbst sollte dann alljährlich „wie Ostern“ gefeiert werden. Weil die Pest endete, hielten sie an dem Gelübde seitdem fest. Seit dem Bau der Kirche 1923 wird das Fest als Patronats- und Kirchweihfest mit dem Ewigen Gebet begangen, 1965 wurde Pestkapelle vor dem Abrissbagger bewahrt und von der Nachbarschaft gepflegt.

Das Fest des hl. Antonius fällt im Jahr 2021 auf einen Sonntag. Daher wird die äußere Feier mit dem Gottesdienst auf den darauffolgenden Montag, 18. Januar, verlegt: Zum Antoniusfest mit Hochamt um 10 und Betstunde um 14 Uhr am 18.1. in Schöppingen liefen die Anmeldung bis 14.Januar. Jeder Gemener, heißt es, hält sich diesen Tag frei und geht an ihm mindestens zweimal, wenn nicht dreimal zur Kirche. Und wie seit jetzt 385 Jahren üblich, begrüßt man sich an dem Tag mit „Frohe Ostern!“

Kontakt: Pfarrei St. Brictius, Kirchplatz 7, 48624 Schöppingen, Tel. 02555 / 99 79 870, E-Mail: stbrictius-schoeppingen@bistum-muenster.de, Öffnungszeiten Pfarrbüro: Mo-Mi 8.30-10.30 Uhr, Do 16.30-18.30 Uhr, Internet: https://www.st-brictius.de/seelsorge/st-antonius-gemen.html, Pfarrei St. Brictius auf YouTube.

Sonntag, 17.01.2021