Gaskrise: Krematorien schlagen Alarm
Sonntag, 24.07.2022
Wenn Russland seine Gaslieferungen an die Bundesrepublik komplett einstellen würde, käme es zu einem Notstand, der nach den Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine „Zerreißprobe“ für Deutschland bedeuten würde.
Im schlimmsten Fall – so Harbeck am 9. Juli 2022 im Interview mit dem Deutschlandfunk - müsse der Staat als Ultima Ratio entscheiden, „wo die Versorgungssicherheit gewährleistet werden muss und wo nicht“. Als rechtliche Grundlage für mögliche staatliche Eingriffe gilt der sogenannte „Notfallplan Gas“, ein dreistufiger Aktionsplan, der die Gasversorgung in Deutschland in einer Krisensituation regelt. Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde in Deutschland am 30. März 2022 mit der „Frühwarnstufe“ die erste Stufe des Notfallplans ausgerufen. Die zweite Stufe – die sogenannte „Alarmstufe“ – ist seit dem 23. Juni 2022 in Kraft.
Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind weder in der Frühwarnstufe noch in der Alarmstufe direkte staatliche Maßnahmen vorgesehen: „Vielmehr ergreifen Gashändler und -lieferanten, Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber marktbasierte Maßnahmen, um die Gasversorgung aufrechtzuerhalten. Dazu gehören beispielsweise die Nutzung von Flexibilitäten auf der Beschaffungsseite, der Rückgriff auf Gasspeicher, die Optimierung von Lastflüssen oder die Anforderung externer Regelenergie.“
Erst nach der Ausrufung der dritten und letzten Stufe – der „Notfallstufe“ – kann der Staat unmittelbar in das Marktgeschehen eingreifen, heißt es von Seiten der Bundesnetzagentur: „Konkret heißt das: Die Bundesnetzagentur wird zum »Bundeslastverteiler«. Sie kann dann in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern z.B. Bezugsreduktionen verfügen. Diese Verfügungen können sich auch an einzelne Letztverbraucher wenden. Dabei sind bestimmte Verbrauchergruppen gesetzlich besonders geschützt, d.h. diese sind möglichst bis zuletzt mit Gas zu versorgen. Zu diesen geschützten Verbrauchern gehören Haushalte, soziale Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, und Gaskraftwerke, die zugleich auch der Wärmeversorgung von Haushalten dienen.“
Sollte es zu solchen Rationierungen und damit zu Verteilungskonflikten kommen, besteht der Bundesverband Deutscher Bestatter darauf, als „systemrelevant“ und damit als besonders schützenswert eingestuft zu werden. „Der Worst Case träte ein, wenn Bestatter ihre Kühlanlagen nicht mehr betreiben können, oder wenn Krematorien das Gas zur Einäscherung fehlt“, sagte deren Sprecherin Elke Herrnberger am 7. Juli 2022 gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe dabei um Daseinsvorsorge und Seuchenschutz, so Herrnberger. Sie verwies darauf, dass von den jährlich rund eine Million Verstorbenen in Deutschland etwa 75% per Feuerbestattung beigesetzt würden.
„Wenn wir kein Gas bekommen. werden wir keine Einäscherung machen können“, sagt auch Joachim Reeber, Geschäftsführer eines Krematoriums im pfälzischen Landau. Er hat für das laufende Jahr noch einen geltenden Vertrag mit seinem Anbieter zu einem vereinbarten Preis. Eine Einäscherung kostet aktuell 370 Euro. Ab dem nächsten Jahr könnte es dann aber teurer werden, so Reeber: „Der reine Preisanstieg wäre - glaube ich - im Moment noch zu tragen und könnte über den Preis auch weitergegeben werden. Deswegen ist unsere größte Sorge, überhaupt Gas zu bekommen.“