Gefängnisseelsorge: Eine Frau unter lauter Knackis
Donnerstag, 01.11.2018
Wenn Pfarrerin Sabine Reinold morgens zur Arbeit geht, schließen sich hinter ihr schwere Stahltüren. Fast alle Fenster sind vergittert und sie muss eine Sicherheitsschleuse passieren, denn ihr Arbeitsplatz ist die Justizvollzugsanstalt Aachen.
Als Gefängnisseelsorgerin ist sie zuständig für rund 150 Häftlinge in Untersuchungshaft. Für die JVA-Insassen ist sie die einzige, mit der sie frei über alles reden können: "Die Menschen ... müssen erst mal mit dem Haftalltag klarkommen, haben in der Regel keine Ablenkung, sind 23 Stunden auf Zelle. Das heißt, ihnen wird bewusst, was diese Situation für ihre Familie bedeutet, die sie nicht kontaktieren können, sie machen sich auch Gedanken darüber, was sie getan haben, sie wissen nicht damit umzugehen, das bestimmt den Alltag sehr."
Das Engagement von evangelischer und katholischer Kirche in den Justizvollzugsanstalten basiert rechtlich betrachtet auf Artikel 4 des Grundgesetzes zur Religionsausübung sowie auf entsprechende Teile des Strafvollzugsgesetzes von 1976. Die theologische Grundlage für die Arbeit der Gefängnisseelsorger/innen findet sich in einer biblischen Geschichte, in der Jesus mit einem Gleichnis sagt: Wer Fremde bei sich aufnimmt, wer Armen Essen, Trinken und Kleidung schenkt, wer Kranke oder Menschen im Gefängnis besucht, der tut Gottes Wille und erfüllt seine Gebote. Denn – so Jesus am Ende der Geschichte: "Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." (siehe Matthäus-Evangelium, Kapitel 25, Vers 31 bis 41). Nach christlichem Menschenbild verliert kein Mensch seine von Gott geschenkte Würde. Gott gibt jedem Menschen jederzeit die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen, umzukehren, ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Gefängnisseelsorger/innen sind sowohl für die Gefangenen als auch für die Bediensteten seelsorgerisch tätig. Sie unterliegen der Schweigepflicht. Die Evangelische Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland ist der Zusammenschluss der fast 300 evangelischen Seelsorger und Seelsorgerinnen in den Justizvollzugsanstalten Deutschlands. Mehr unter www.gefaengnisseelsorge.de/ bzw. https://gefaengnisseelsorge.net
Unterstützt werden die Seelsorger von ehrenamtlichen Helfern/innen. So sorgt z.B. der Verein "Gefährdetenhilfe e.V." (www.gefaehrdetenhilfe.de) mit seinen rund 300 Ehrenamtlichen schon seit 1972 dafür, dass Häftlinge in 17 Gefängnissen in NRW und Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig besucht werden. Die Freiwilligen bringen durch ihren Dienst ein Stück von "der Welt da draußen" und etwas Abwechslung in den "Knastalltag". Bereits seit 1925 engagiert sich im gleichen Feld auch die bundesweite Christliche Straffälligenhilfe "Schwarzes Kreuz". Sie hilft Strafgefangenen und deren Angehörigen während und nach der Haft. Zu Weihnachten bittet das "Schwarze Kreuz" regelmäßig um Weihnachtspakete für Gefangene.