Gemeinsam fasten macht Vieles leichter
Sonntag, 04.02.2024
Die knapp sieben Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag gelten im Christentum als Passionszeit - im Gedenken an die Leidenszeit Jesu Christi und an seine Kreuzigung am Karfreitag. Schon die frühen Christen fasteten während dieser Zeit
In Anlehnung an diese Tradition riefen Journalisten und Pfarrer in Hamburg 1983 die Aktion "7 Wochen ohne“ ins Leben. Sie wollten während der Passionszeit auf Alkohol und Zigaretten verzichten. Die Idee fand immer mehr Verbreitung und hat sich inzwischen als Fastenaktion der evangelischen Kirche bundesweit etabliert. In diesem Jahr steht sie unter dem Motto „Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge“. Darin steckt implizit auch die Einladung, nicht alleine zu fasten, sondern sich einer Fastengruppe anzuschließen oder eine solche zu gründen.
Die Pfarrerin Heike Gabernig aus Meerbusch hat Erfahrung mit solchen Fastengruppen und sagt: „Das Besondere an diesem Format ist, dass die Menschen miteinander ins Gespräch kommen sollen. Wir beobachten von der ersten Stunde der Begegnung an eine riesige Bereitschaft, sich für andere zu öffnen, es kommen sehr tiefe Gespräche zustande, da ist eine Freude zu spüren des Wiedersehens und des sich Miteinander auf den Weg begebens. Und davon ist eigentlich die ganze Fastenzeit dann immer geprägt.“
Ähnliche Erfahrungen hat auch Pfarrerin Dagmar Spellzberg-Sühling aus dem Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken gemacht. Sie leitet seit rund 30 Jahren Fastengruppen und sagt: „Eine Gruppe stärkt auf jeden Fall, wenn es auch mal kriselt in der Fastenzeit, dass man dann denkt: »Warum mach´ ich das denn eigentlich?« und wenn man ne Gruppe hat, trägt einen das mehr durch … Und die Gruppe motiviert eben auch, bei den eigenen Themen auch dranzubleiben. Weil man sich was erzählen kann, die anderen interessiert das, was ich habe und dann schaut man einfach tiefer.“
Der Eröffnungsgottesdienst der Fastenaktion „7 Wochen ohne“ am 18. Februar 2024 um 9.30 Uhr in St. Katharinen in Osnabrück wird im ZDF live übertragen. Wie immer bieten die Veranstalter allen Interessierten einen Fastenkalender und Arbeitshilfen zur Unterstützung an. Daneben gibt es auch einen Email-Newsletter, der während der Fastenzeit über Wissenswertes, Informatives und Aktuelles rund um das Thema Fasten informiert. Der Newsletter und alle anderen Materialien wie Fastenkalender oder das Begleitbuch können online bestellt werden unter https://7wochenohne.evangelisch.de Interessierte können die Aktion auch auf Facebook begleiten und kommentieren unter http://www.facebook.com/7wochenohne
Fastenbegleitung bietet seit 20 Jahren auch die Aktion "7 Wochen anders leben“ des christlichen Vereins "Andere Zeiten" aus Hamburg. Hier erhalten die Teilnehmer jede Woche einen Fastenbrief, der u.a. aktuelle Erfahrungen und Rückmeldungen von Fastenden aufgreift und Mut zum Durchhalten macht. Dazu gibt es auch noch eine Fastenbroschüre mit Informationen, Geschichten und Tipps rund um das Thema Fasten sowie eine Aktionskarte. Das Material kann hier online bestellt werden.
Wer mit dem Fasten nicht nur sich selbst, sondern auch der Umwelt etwas Gutes tun möchte, der kann sich in der Passionszeit auch an Aktionen wie dem Klimafasten beteiligen. Sie wird bundesweit von 24 evangelischen und katholischen Partner*innen getragen. Auch wird jede der sieben Fastenwochen unter ein eigenes Motto gestellt – zum Beispiel "Das richtige Maß", "andere Ernährung" oder "neue Mobilität".
Laut einer Umfrage der DAK-Gesundheit im Jahr 2023 sagten jeweils rund 73 Prozent der befragten Deutschen zum Zeitpunkt der Befragung aus, dass sie während der Fastenzeit am ehesten auf Alkohol und Süßigkeiten verzichten würden. Über die Hälfte der Befragten würde am ehesten für mehrere Wochen auf Fleisch verzichten. 43 Prozent wollten auf das Rauchen verzichten, 39 Prozent aufs Fernsehen. Ihre Computer- bzw. Internetnutzung wollten 19% reduzieren, das Autofahren 18% (Quelle: Statista)
Nach christlichem Brauch dauert die Fastenzeit 40 Tage – eine Zahl mit symbolischem Charakter: Nach biblischem Zeugnis dauerte die Sintflut so lange, Moses verbrachte diese Zeit auf dem Sinai, bevor er die Gebote Gottes empfing, und Jesus zog sich nach seiner Taufe durch Johannes für 40 Tage in die Wüste zurück, um zu fasten. Zunächst bedeutete Fasten die Beschränkung auf eine Mahlzeit sowie Verzicht auf Fleisch und Wein. Ziel war das Besinnen auf das Wesentliche, die Beziehung zu Gott. Übrigens: als "Tag des Herrn" und Feier der Auferstehung ist der Sonntag generell vom Fasten ausgenommen!
Auch wenn das Fasten heutzutage immer stärker in den Sog von Wellness- und Gesundheitsbewegung gerät, so bleibt doch der religiöse Ursprung dieser besonderen Form der Enthaltsamkeit festzuhalten. Religiöse Fastenzeiten kennt man in praktisch allen archaischen Kulturen - schon Griechen und Römer schworen auf diese Möglichkeit, den Verstand zu schärfen, mehr Widerstandsfähigkeit zu gewinnen, überflüssige Pfunde zu verlieren und den Körper von all den leckeren Dingen zu entgiften, die sie zuvor im Übermaß genossen hatten.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Fasten auch als Therapieform wiederentdeckt – u.a. von dem amerikanischen Arzt Edward Dewey. In Deutschland war Otto Buchinger einer der ersten Ärzte, die zu Fastenkuren rieten. 1935 schrieb er sein bis heute grundlegendes Werk "Das Heilfasten". Dabei wird nach gründlicher Vorbereitung komplett auf feste Nahrung verzichtet. An ihre Stelle tritt eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von vier bis sechs Litern Tee, Wasser oder Gemüsebrühe. Wer das Heilfasten einmal ausprobieren möchte, sollte vorher auf jeden Fall seinen Arzt konsultieren und mit ihm klären, ob irgendwelche bestehenden oder zu erwartenden Gesundheitsrisiken gegen eine solche Fastenkur sprechen. Nicht fasten sollten z.B. Schwangere, Kinder sowie Patienten mit Schilddrüsen-, Herzkreislauf- oder Krebserkrankungen.