Gewaltfreie Erziehung: Dumme Sprüche meiden
Sonntag, 30.04.2023
Jedes Jahr am 30. April wird in Deutschland der Tag der gewaltfreien Erziehung begangen. Passend dazu hat das Kinderhilfswerk UNICEF eine Kampagne mit dem Hashtag #niemalsGewalt gestartet. Die nimmt unter anderem veraltete Erziehungssprüche auf´s Korn.
Sätze wie „Wer nicht hören will, muss fühlen“ oder „Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust Du gefälligst, was ich sage“ halten sich schon seit Generationen. Oft werden sie gedankenlos dahingesagt, selten sind sie ernst gemeint, aber harmlos sind sie deswegen noch lange nicht, meint der Sozialpädagoge Daniel Debray: „Unsere Sprache ist schon der Spiegel unserer Gesellschaft. Und solche Redensarten, Erziehungssprüche stehen eben für eine Haltung gegenüber Kindern. Und wenn das eine Haltung ist, die respektlos, herabsetzend oder im schlimmsten Fall Gewalt verharmlosend ist oder sie als notwendig beschreibt, dann ist das eben problematisch.“
Problematisch allein schon deshalb, weil solche Sprüche ein Machtgefälle ausdrücken, bei dem nur die Eltern etwas zu sagen haben, meint Daniel Debray. Er ist selbst Vater von zwei Kindern und arbeitet als Projektleiter für die #NiemalsGewalt-Kampagne der UNICEF. Wann und wo sprachlich die Grenze zur Gewalt überschritten wird, hängt von den Umständen ab, meint Debray: „Eine einfache Redensart, ein unbedacht daher gesagter Spruch, das ist nicht automatisch Gewalt. Das rutscht uns allen mal raus, mir auch. Schwierig ist es, wenn das die Regel wird. Also regelmäßig und reflexartig Bedürfnisse von Kindern heruntergespielt oder missachtet werden, wenn sie quasi Standard sind. Per Definition sind Handlungen, die einem Kind Schaden zufügen oder ihm schaden können, Gewalt. Und da spielt es eigentlich keine Rolle, ob absichtlich oder unbewusst daher gesagt.“
Auch Worte können schließlich weh tun und verletzen, sagt der Sozialpädagoge. Die vermeintlich harmlosen Erziehungssprüche sind ihm deshalb ein Dorn im Auge: „Die müssen vor allem reflektiert werden und überprüft und geändert. Das ist ein relativ kleiner Aufwand mit einer ziemlich großen Wirkung. Jedes Kind verdient Respekt, Wertschätzung und Liebe – und hat im Übrigen auch ein Recht darauf, frei von Gewalt groß zu werden.“
Dieses Recht ist in Deutschland sogar gesetzlich verbrieft. Seit dem 1. Januar 2001 besagt § 1631 im Bürgerlichen Gesetzbuch: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Das gilt nicht nur für die Erziehung im Elternhaus, sondern z.B. auch im Rahmen des Erziehungsauftrags in Kindertageseinrichtungen und Schulen.
Die Kampagne #NiemalsGewalt läuft u.a. auf der UNICEF-Facebookseite und natürlich auch auf der Website von UNICEF Deutschland. Der Hashtag #NiemalsGewalt ist nicht zufällig gewählt, sondern der Titel einer Rede, die Astrid Lindgren 1978 hielt, als sie in Frankfurt mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde. Darin ging es um die gewaltfreie Erziehung von Kindern. Die Rede fand weltweite Beachtung und Verbreitung. Laut Wikipedia sorgte sie in Lindgrens Heimat Schweden dafür, dass 1979 ein Gesetz eingeführt wurde, das das Schlagen von Kindern verbot. Bis dahin gab es ein solches Gesetz nirgendwo auf der Welt.