Glaube als Kraftquelle in der Katastrophe

von Manfred Rütten

Sonntag, 25.07.2021

Nach der Unwetter-Katastrophe vom 15. Juli 2021 besucht Präses Thorsten Latzel (links) die schwer getroffene Stadt Bad Neuenahr.
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Nach der Unwetter-Katastrophe besucht Präses Dr. Thorsten Latzel (links) die schwer getroffene Stadt Bad Neuenahr. Hier tagt seit vielen Jahren regelmäßig die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland. (Foto: EKiR / Marcel Kuß)

Euskirchen, Erftstadt, Bad Neuenahr - diese und andere Orte, die von der Unwetter-Katastrophe getroffen wurden, liegen im Gebiet der rheinischen Landeskirche. Deren „Chef“, Präses Dr. Thorsten Latzel, war unterwegs, um sich ein Bild von der Lage zu machen

Über seinen Besuch in einem vom Hochwasser arg gebeutelten Ortsbezirk von Trier, schreibt Latzel auf der Internetseite der Evangelischen Kirche im Rheinland: „Heute war ich mit Pfarrerin Maren Vanessa Kluge, einer unserer Notfall-Seelsorger-/innen, unterwegs in der Gemeinde Trier-Ehrang. Der Ort ist noch von der Polizei abgeschirmt, nur Helfer-/innen und Anwohner-/innen kommen hinein. Zwei Stunden lang sind wir mit dem Bollerwagen durch die Straßen gezogen – voller Kaffee-Kannen, Wasserflaschen, belegter Brötchen, Bananen und Schoko-Keksen. Nervennahrung für die Menschen, die dort den Schutt beseitigen, nachdem das Wasser zurückgegangen ist. In den letzten Tagen stand es hoch bis in den ersten Stock. An den Wänden sieht man die Schmutzrinne. Geht man durch die Straßen, so liegt da das ganze Leben von Menschen. Ausgekippt auf die Straße. Zu Müll geworden durch den Schlamm. Die Menschen sind noch in der ersten Krisen-Reaktionsphase – irgendwo zwischen Schock, Anpacken, das Gröbste beseitigen. Das alles wirkt völlig surreal, weil jetzt – bei schönem Wetter – überall Menschen draußen sind, reden, arbeiten. Fast als hätten sich alle zu einem kollektiven Sperrmüll verabredet. Nur, dass es nichts zu feiern gibt. Außer die große Hilfsbereitschaft. Überall stehen Feuerwehr, Hilfskräfte, Malteser, schweres Räumgerät. Und eben unser kleiner Bollerwagen. Vanessa Kluge erklärt mir, wie es hier gestern, vorgestern ausgesehen hat. Zwischenzeitlich bieten wir unsere Ladung allen an, die uns auf dem Weg begegnen. Einsatzkräften, die seit Tagen gearbeitet haben, mit nur wenig Schlaf. Bewohner-/innen, die von einem Berg von Müll vor ihrem Haus stehen. Waschmaschinen voller Schlamm. Hanteln lassen sich abspritzen. Matratzen sind so voll, dass sie sich kaum heben lassen. Ein Mann ist froh, dass es wenigstens auch den alten Weihnachtsschmuck erwischt hat. Konnte er eh nie leiden. Jetzt gibt es neuen.

Der Kaffee geht schnell weg, ebenso die Bananen und Kekse. Mich beeindruckt die offene Herzlichkeit meiner Kollegin. Sie verschenkt das Essen, als würde sie dafür bezahlt. Lächelt, scherzt, bringt Menschen dazu, nicht zu verzweifeln. Und immer wieder der Satz: »… und Ihnen viel Kraft!« Ihre Form des Segens. Vielleicht eine Form der Gegenwart Gottes in der Situation: Brötchen und der Wunsch »viel Kraft«. Eine Anwohnerin: »Geweint habe ich nicht bei der Flut. Erst, als ich die Hilfsbereitschaft der Menschen spürte.«

Zu anderen Dörfern im Gebiet von Pfarrerin Maren Vanessa Kluge gibt es noch keinen Kontakt. Und auch in Ehrang beginnt die Trauerarbeit noch, wenn der Schock sich gelegt hat und die Menschen den ganzen Schaden langsam realisieren werden. Ich bin froh, dass wir als Kirche hier ökumenisch mit unserer Notfall-Seelsorge vor Ort sind. Gott segne alle, die sich hier engagieren, und alle Menschen, denen sie begegnen.“

Einen Überblick über die Situation in den rheinischen Kirchengemeinden, der fortlaufend aktualisiert wird, gibt es unter https://news.ekir.de/meldungen/2021/07/unwetter-erwischt-kirchengemeinden/

Sonntag, 25.07.2021