Häusliche Gewalt: Letzte Zuflucht Frauenhaus
Sonntag, 27.11.2022
Sie werden verfolgt, bedroht, geschlagen oder vergewaltigt: Im Jahr 2020 gab es bundesweit 119.164 Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Und das sind nur die polizeilich registrierten Fälle. Das Dunkelfeld dürfte entsprechend groß sein.
Nach Angaben des Statistik-Portal Statista.com „wurden [im Jahr 2020] nahezu 70.200 Frauen Opfer von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung.“ Wie der NDR berichtet wurden im selben Jahr 139 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet. Deren Zahl erfasst die Polizei erst seit 2015. Seitdem liegt sie konstant über 100 pro Jahr. Der bislang höchste Wert wurde 2016 mit 155 Tötungen verzeichnet. Statista.com merkt dazu an: „In Deutschland ist »Femizid« kein Straftatbestand und sogenannte Trennungstötungen werden meist als Totschlag anstelle von Mord geahndet. Somit wird suggeriert, dass die Tötung einer Frau durch ihren Ex-Partner kein niedriger Beweggrund sei.“
Vor der psychischen oder physischen Gewalt ihrer Partner fliehen viele Frauen in eines der deutschlandweit 360 Frauenhäuser. Doch die haben seit Jahren weder genug Geld noch genügend Plätze, um allen Frauen sofort helfen zu können. Aus einem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 27. Mai 2019 geht hervor, dass die Frauenhäuser in Deutschland chronisch überlastet sind: "Jährlich suchen in Deutschland etwa 16.000 Frauen mit fast ebenso vielen Kindern Zuflucht in einem Frauenhaus. Oft wird ihnen der Zugang zu Schutz und Hilfe aufgrund von Platzmangel, ungeklärter Finanzierungsfragen oder bürokratischer Hürden erschwert oder sogar verwehrt.“
Neben den 360 Frauenhäusern und den 25 Frauenschutzwohnungen leisten auch die bundesweit rund 600 Beratungsstellen von Diakonie, Caritas und anderen freien Wohlfahrtsverbänden wertvolle Hilfe. Eine weitere niederschwellige Anlaufstelle ist das kostenlose Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" . Dabei handelt es sich um eine Einrichtung des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, das seit 2013 aktiv ist. Betroffene können sich unter der Telefonnummer 08000 116 016 anonym melden, in 18 Sprachen ist Beratung möglich. 2021 verzeichnete das Hilfetelefon fast 82.000 Kontaktaufnahmen und mehr als 54.000 Beratungen.
Auf der Internetseite https://www.frauen-info-netz.de/ der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW e.V. finden Betroffene und Interessierte zahlreiche nützliche Tipps und weiterführende Links zum Thema. Über eine Postleitzahl-Suche lassen sich außerdem Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen in NRW finden. Grüne bzw. rote Sticker unter den gefundenen Frauenhäusern zeigen an, ob dort aktuell Plätze frei sind. Einen ähnlichen Service für das gesamte Bundesgebiet bietet die Seite https://www.frauenhaus-suche.de/
Wenn bei akuter Gefahr schnelle Hilfe gefragt ist, sollten Frauen den Notruf 110 wählen und die Polizei zu Hilfe rufen. In NRW können die Beamten den Aggressor sofort aus der Wohnung verweisen und ihm das Betreten für weitere zehn Tage untersagen. In dieser Zeit kann sich die Frau fachkundig beraten lassen oder beim Zivilgericht beantragen, dass ihr die Wohnung zugesprochen wird. Darüber hinaus kann dem Täter verboten werden, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten und Kontakt zum Opfer aufzunehmen.
Unter dem Begriff "Häusliche Gewalt" wird jede Form von Beziehungsgewalt verstanden und zusammengefasst, die - im Gegensatz zum öffentlichen Raum – im privaten Bereich stattfindet. Die Bandbreite reicht dabei von psychischer Gewalt durch Bedrohung oder Stalking bis hin zu handfester körperlicher Gewalt – etwa durch Schläge, Tritte oder Vergewaltigung. Mehr Infos hier.
Daran, dass Gewalt gegen Frauen ein weltweites Problem ist, das sich u.a. auch in Unterdrückung, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung zeigt, erinnert jedes Jahr am 25. November der "Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen". Unterstützung kommt dabei u.a. von Frauenorganisationen der Vereinten Nationen, die dazu 1991 die Aktion „Orange the World“ ins Leben gerufen haben. Vom 25. November bis zum 10. Dezember – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – unterstützen auch in Deutschland zahlreiche Organisationen die Aktion. Mit Bannern, Kundgebungen und Informationen wird in verschiedenen Städten auf das Thema „Gewalt gegen Frauen“ aufmerksam gemacht.
Am Düsseldorfer Rathaus und anderen städtischen Gebäuden werden zum Beispiel Aktionsflaggen mit der Telefonnummer des bundesweiten Hilfetelefons 08000116016 gehisst. Mit dem Projekt „Stop Sit Speak – Orange Bänke in Bonn“ setzt ein Bündnis aus evangelischer Kirche in Bonn, der Gleichstellungsstelle der Stadt Bonn, UN-Women Deutschland und die beiden Zonta Clubs Bonn ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen, macht auf das Unrecht aufmerksam und zeigt Menschen Wege auf, Betroffenen zu helfen. Dafür werden ab Ende November stadtweit an zwölf prominenten öffentlichen Orten orange Bänke aufgestellt, zum Beispiel am Rheinufer, dem Stadthaus, im Landgericht, im Haus der Bildung, der Zentrale der Deutschen Telekom oder auch am Polizeipräsidium. Auch Schulen im Bonner Stadtgebiet beteiligen sich. In Dortmund beteiligen sich unter anderem das Orchesterzentrum NRW, das Rathaus, das Dortmunder U und das Fußballmuseum mit orangefarbener Beleuchtung oder Bannern.