Heldengedenktafeln in Kirchen: schweres Erbe
Sonntag, 10.08.2014
Vor 100 Jahren – im August 1914 - begann einer der größten Kriege der Menschheitsgeschichte: der I. Weltkrieg. In vielen älteren Kirchen findet man noch heute "Heldengedenktafeln", die an die gefallenen Soldaten erinnern sollen. Kein leichtes Erbe …
Der I. Weltkrieg kostete unzählige Opfer. Allein auf deutscher Seite zählte man zwei Millionen gefallene Soldaten. Nur die wenigsten wurden in der Heimat beigesetzt, das Gros der Gefallenen fand die letzte Ruhe auf einem der zahlreichen Soldatenfriedhöfe in Belgien und Frankreich. Ihre Angehörigen hatten oft nicht die Möglichkeit, dort hinzufahren um ihrer zu gedenken. Deshalb wurden nach Kriegsende in vielen deutschen Städten und Dörfern Gedenktafeln errichtet. Viele von ihnen finden sich noch heute auf kommunalen Friedhöfen, aber auch in Kirchen. Zum einen, weil das Totengedenken – wie etwa jährlich im November am Ewigkeitssonntag – kirchliche Tradition hat. Zum anderen aber auch, weil die Erinnerung an Verstorbene in den Kirchen besonders lange bewahrt wird – man denke nur an die vielen Fürsten- oder Bischofsgräber, die hier zu finden sind.
Anders als mittelalterliche Grabplatten sorgen die "Heldengedenktafeln" aus der Zeit nach dem I. Weltkrieg immer wieder für Diskussionen – vor allem wegen der Art ihrer Gestaltung, und die ist durchaus unterschiedlich. Die einen sind relativ schlicht gehalten und beinhalten neben den Namen der Gefallenen manchmal auch deren Dienstgrade, Regimentszugehörigkeiten oder auch Ort und Datum ihres Todes. Andere Tafeln wiederum wirken durch eingearbeitete Symbole wie Reichsadler, Fahnen, Stahlhelme, Eiserne Kreuze oder gar Waffen eher martialisch und sind deshalb umstritten.
Der Theologe Eckard Schwab, Dezernent der Evangelischen Kirche im Rheinland, kann dieses "Unwohlsein", das den Betrachter in einer Kirche dabei überkommt, gut verstehen. Besonders kritisch wird es aus seiner Sicht, wenn solche Tafeln auch noch bestimmte Bibelsprüche aufweisen: "Typische Bibelsprüche bei solchen Tafeln sind etwa das Johanneswort "Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“. Oder aus der Offenbarung: "Sei getreu bis in den Tod“. (…) Durch diese Bibelsprüche – die sich ursprünglich auf Jesus beziehen - wird versucht, (…) das in einen religiös-sakralen Zusammenhang zu stellen." Dem Betrachter werde damit nahe gelegt, dass die Soldaten einen heiligen Opfertod gestorben sind – ähnlich dem Tod Jesu am Kreuz.
Nicht nur eine solche religiöse Überhöhung hat Gemeinden in der Vergangenheit veranlasst, derartige Gedenktafeln aus ihren Kirchen zu entfernen, so Schwab: "Die Gemeinden sind dann oft kritisch gewesen gegenüber solchen Tafeln, (…) wenn letztlich der Eindruck entstand, dass die Tafeln weniger die Menschen im Blick hatten, die diesen Krieg eben verloren haben, als vielmehr eine nachträgliche Rechtfertigung des Kriegsgeschehens an sich. Das hat letztlich den Ausschlag gegeben, solche Tafeln zu entfernen."
Die Entscheidungshoheit über Verbleib oder Abnahme solcher Gedenktafeln liegt bei den Kirchengemeinden. Bundesweit gültige Empfehlungen – etwa von Seiten der Evangelischen Kirche in Deutschland – gibt es nicht. Deren Friedensbeauftragter, Renke Brahms, rät dazu, die "Heldengedenktafeln" nicht leichtfertig abzuhängen: "Solche Denkmäler können Anlass sein, der gefallenen Soldaten, aber auch der Opfer unter der Zivilbevölkerung zu gedenken, sie als Mahnung zu verstehen und zu fragen, was wir daraus für die friedensethische Debatte lernen können.“ Für Brahms ist es durchaus auch ein Anliegen, dass die Namen der Gefallenen nicht in Vergessenheit geraten: "Der Name hat - gut biblisch - eine hohe Bedeutung. Der darf nicht einfach verschwinden.“ Die Kirchengemeinden könnten ihre Besucher über die Entstehungsgeschichte und Hintergründe der Denkmäler aufklären – etwa durch Informationstafeln neben den Denkmälern oder "durch Hinweise im Gottesdienst oder im Kirchenführer“, so Brahms.