Jahreslosung auch politisch bedeutsam

von Sabine Langenbach

Sonntag, 05.01.2025

Emojis mit der Jahreslosung für 2025
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Die biblischen Jahreslosungen für Deutschland gibt es seit 1930. Sie wurden von Pfarrer Otto Riethmüller ins Leben gerufen. (Foto: David Lehmann)

Seit fast 100 Jahren gibt es in der Evangelischen Kirche die Tradition, jedes Jahr unter eine biblische Losung zu stellen. Das Leitwort für 2025 lautet „Prüft alles und behaltet das Gute“ und stammt aus dem ersten Brief des Apostels Paulus.

Zu finden ist dieser Bibelvers im Neuen Testament, genauer im ersten Brief des Apostels Paulus an die (gerade neu gegründete) Gemeinde in Thessalonich (1. Thessalonicher, Kapitel 5, Vers 21 der Einheitsübersetzung). Darin fordert Paulus seine Glaubensgeschwister dazu auf, nicht alles unkritisch zu übernehmen, sondern die Dinge zu prüfen. Das gilt sowohl für Lehren, die ihnen verkündet werden, als auch für spirituelle Erfahrungen. Der Vers ruft dazu auf, sich nicht von jeder Aussage oder Strömung leiten zu lassen, sondern alles mit dem Maßstab der biblischen Botschaft und des christlichen Glaubens zu prüfen. Dies erinnert an den Geist der Unterscheidung, der auch in anderen biblischen Texten angesprochen wird (z. B. 1. Johannes 4,1: „Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind“).

Das „Gute“ in diesem Kontext ist nicht nur ethisch-moralisch zu verstehen, sondern als das, was mit Gottes Willen übereinstimmt. Es geht darum, das, was zum Aufbau der Gemeinschaft, zur Liebe und zur Gerechtigkeit beiträgt, anzunehmen und zu bewahren. Diese Haltung ist ein Ausdruck des Glaubens, der das Positive sucht und fördert. Die Jahreslosung erinnert daran, dass Glaube nicht blind sein soll, sondern von kritischem Denken und geistlicher Wachheit geprägt ist. Sie betont das Vertrauen darauf, dass Gottes Geist den Gläubigen hilft, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden. Gleichzeitig ruft sie zu einem Leben auf, das sich auf das konzentriert, was in Gottes Augen wertvoll ist.

Die Jahreslosung 2025 „Prüfet alles und behaltet das Gute“ hat für den Theologen Dr. Stefan Jäger vom Johanneum in Wuppertal eine ganz besondere Aktualität, vor allem mit Blick auf die kommende Bundestagswahl: „Da ist es sehr wichtig, dass wir uns die Optionen sehr genau angucken, dass wir prüfen und vergleichen, um dann gute, solide, nachhaltige Entscheidungen treffen zu können, die für uns, aber auch für unsere Gesellschaft, unser Land GUT sind. Und da wünsche ich mir, dass die Jahreslosung zu einem guten Anreger wird.“

Die biblischen Jahreslosungen für Deutschland gibt es seit dem Jahr 1930. Sie wurden von Pfarrer Otto Riethmüller ins Leben gerufen, der als Vorsitzender des evangelischen Reichsverbands weiblicher Jugend den Parolen der Nationalsozialisten ein kräftiges Bibelwort entgegenstellen wollte. Seine Wahl fiel auf einen Vers aus dem Römerbrief des Apostel Paulus und lautete: „Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht“ (Römer 1,16). Anfangs hatte Riethmüller mit der NS-Bewegung sympathisiert, doch schon bald durchschaute er den Rassismus der Ideologie und gehörte zu den ersten Unterzeichnern einer Protesterklärung gegen die Einführung des „Arierparagrafen“ in der Kirche.

Seine Idee der biblischen Jahreslosungen wurde 1934 von den evangelischen Kirchen in Deutschland übernommen. Die katholische Kirche schloss sich 1969 an. Heute werden die Jahreslosungen von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB) erstellt, einer überkonfessionellen Gruppe, die aus Mitgliedern verschiedener christlicher Kirchen besteht. Die ÖAB wählt die Verse mehrere Jahre im Voraus aus. Die Entscheidung für einen bestimmten Bibelvers erfolgt dabei in einem intensiven Prozess des gemeinsamen Bibellesens, Betens und Diskutierens.

Ähnlich wie der Jahresspruch gibt es auch wechselnde Tages- und Wochenlosungen für das gesamte Jahr. Sie werden von der Herrnhuter Brüdergemeine zusammengestellt (https://www.losungen.de/). Für jeden Tag des Jahres gibt es je ein Bibelwort aus dem Alten und dem Neuen Testament sowie einen Liedvers oder ein Gebet. Dabei wird die alttestamentliche Losung aus rund 1800 Bibelversen gelost. Danach werden der neutestamentliche Lehrtext und der »Dritttext« thematisch passend zusammengestellt. Schon seit 1731 werden diese Losungen in Buchform veröffentlicht, sie sind heute in jeder guten Buchhandlung erhältlich. Wer will, kann sich die Losungen auch jeden Tag frisch auf seinen Computer oder sein Smartphone zaubern. Eine Anleitung dazu und die entsprechenden Dateiformate sind zu finden unter https://www.losungen.de/download .

Sonntag, 05.01.2025