Jesu Kreuzigung aus archäologischer Sicht
Freitag, 19.04.2019
Jesu Kreuzigung am Karfreitag – wie muss man sich das eigentlich vorstellen? Wir fragen einen Wissenschaftler: Den Theologen und Archäologen Prof. Dr. Dieter Vieweger aus Wuppertal. Zum Beispiel: "Warum wurde Jesus außerhalb der Stadt gekreuzigt?"
Im Kino und in der Kunst war und ist die Kreuzigung Jesu ein häufiges Thema. Die entsprechenden Bilder prägen unsere Vorstellung von dem Geschehen bis heute. Dabei sind sie oft heroisierend, teilweise verharmlosend und manchmal auch falsch.
Das gilt zum Beispiel für Darstellungen, nach denen Maria von Magdala und Maria, die Mutter Jesu, bei der Kreuzigung dabei gewesen sind. Nach Ansicht des Theologen und Archäologen Prof. Dr. Dieter Vieweger aus Wuppertal ist das nicht korrekt. Laut den biblischen Berichten seien die beiden "nicht mit zum Kreuz gegangen, sie sind nicht nach Golgatha hochgegangen", sondern hätten "etwas abseits »in den Gärten« gestanden". Das decke sich mit anderen Berichten und archäologischen Forschungen. So habe es den Hinrichtungsort Golgatha tatsächlich gegeben. Es handelte sich dabei um einen Steinbruch außerhalb der Jerusalemer Stadtmauern, der tatsächlich von Gärten umgeben gewesen sei, so Vieweger.
Nur wenige Kinofilme und künstlerische Werke vermitteln dem Betrachter einen Eindruck davon, wie überaus qualvoll und grausam eine Kreuzigung abgelaufen ist. Ihr Sinn sei es nicht allein gewesen, einen Menschen zu töten, erklärt Dieter Vieweger. Dazu hätte man auch einfach ein Messer oder eine Keule nehmen können: "Die Römer wussten sehr genau: Die Kreuzigung ist eine bittere Strafe und die ist eben gerade damit verbunden, dass der arme Mensch nicht sterben kann, aber Höllenqualen leidet. Und das möglichst lange."
Um den Tod eines Verurteilten so weit wie möglich hinauszuzögern, konnten die Römer am senkrechten Balken des Kreuzes eine Stütze anbringen, indem sie eine Kerbe hineinschlugen, in der der Gekreuzigte zu sitzen kam. Was auf den ersten Blick wie eine Hilfe anmutet, verlängerte in Wahrheit nur das Leiden der Verurteilen, erzählt Dieter Vieweger: "Viel besser, aber auch viel grausamer ist die zweite Methode, dass man rechts und links des senkrechten Balken einfach mit Eisennägeln angenagelt wird. Und zwar durch die Astragal-Knochen des Fußes hindurch. Das muss ganz grausam gewesen sein, aber wenn man dann runter rutscht mit seinem Körper und keinen Sitz für den Hintern hat, dann sackt man früher zusammen und der Kreislauf geht schneller in die Brüche und man stirbt früher."
Jesus hatte wohl keine helfende Stütze an seinem Kreuz. Denn sein Tod sollte relativ schnell vonstatten gehen, vermutet auch Dr. Dieter Vieweger: "Um 15 Uhr musste Schluss sein. Denn um 17 oder 18 Uhr ging die Sonne unter und dann begann das Pessach-Fest. Also man musste die Leute relativ schnell tot haben und man musste sie schnell wieder vom Kreuz nehmen können, damit man Pessach feiern konnte."
Das jüdische Fest war auch der Grund dafür, dass die Kreuzigung außerhalb der Stadtmauern stattfinden musste, obwohl nach römischem Recht Hinrichtungen auch innerhalb der Stadt möglich waren. Im Falle von Jesu Verurteilung zum Tod am Kreuz stand allerdings das Pessach-Fest vor der Tür, erzählt Dieter Vieweger: "Nachmittags, wenn die Sonne untergeht, beginnt der Feiertag. An diesem Tag muss alles rein sein, kultisch rein. Sobald da Blut runterfällt, hätte Pessach ausfallen müssen. Demzufolge ging man vor die Stadt."
Als Archäologe greift Vieweger immer wieder auch auf die Bibel als Quelle zurück. Richtig genutzt kann sie nach seiner Überzeugung wichtige Hinweise liefern: "Wenn Sie biblische Berichte lesen, die wollen ihn natürlich erst einmal was sagen - das ist die Botschaft. Deshalb schreibt der Mensch. Aber er hat auch eine Bildebene. Diese Bildebene kann nicht oder sollte nicht gelogen sein, weil die Leute die die Botschaft hören, die die Geschichten lesen, die Stadt kennen. Die Gegend kennen. Und wenn ich darin Fehler mache, oder wenn ich darin lügen würde, könnte ich die Botschaft schon nicht mehr weitersagen."