Juli-Hochwasser: Diakonie steht Betroffenen zur Seite
Sonntag, 14.11.2021
Vier Monate nach der Flutkatastrophe vom Juli 2021 leben viele Betroffene noch immer im Ausnahmezustand. Ihre Wohnungen oder Häuser gleichen Rohbauten, oft gibt es nur provisorische Heizmöglichkeiten, es fehlt an Küchen, Kleidung, Mobiliar und Geld.
Dabei hat allein die Aktion Lichtblicke in den ersten drei Monaten nach der Flut 6,5 Mio. Euro an Flutopfer in NRW ausgezahlt. Weitere 3,2 Mio. Euro Soforthilfe kamen von der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), dazu noch Mittel der Caritas, die nach eigenen Angaben bis Mitte Oktober 17 Mio. Euro verausgabt bzw. schon verplant hat. Stand in den ersten Wochen und Monaten nach der Flutkatastrophe die Soforthilfe im Vordergrund, hat nun inzwischen die Phase des Wiederaufbaus begonnen – und die folgt eigenen Regeln.
Gernot Krauß, zuständig für die Fluthilfe von Caritas international, erklärt die Vorgehensweise: "Beim Wiederaufbau gilt das Prinzip der Nachrangigkeit. Als erstes muss - falls vorhanden - die Versicherung den Schadensfall prüfen. Was sie nicht zahlt, übernimmt der Staat, allerdings meist nur zu 80 Prozent. Erst dann dürfen Spenden zum Einsatz kommen. Würde die Caritas beispielsweise jetzt beginnen, Heizungsanlagen zu bauen, nähme sie die Versicherungen und auch den Staat aus der Pflicht. Das wäre sicherlich nicht im Sinne unserer Spenderinnen und Spender. Die Nachrangigkeit macht also Sinn. Allerdings führt sie auch zu Verzögerungen, die für die Betroffenen - verständlicherweise - nur sehr schwer auszuhalten sind."
Aus ihren zahlreichen Erfahrungen mit ähnlichen Katastrophen (Oderhochwasser 1997, Elbehochwasser 2002 und 2013) wissen die Fachleute von Diakonie und Caritas, dass bis zum Abschluss des Wiederaufbaus Jahre vergehen und ein großer Teil der Spendengelder erst im letzten Drittel dieser Zeitperiode zum Einsatz kommen – dann nämlich, wenn staatliche Zahlungen und Versicherungsleistungen geflossen sind, aber Betroffene trotzdem noch Unterstützung brauchen, weil sie etwa ihren Eigenanteil von ca. 20% nicht tragen können. So wurden etwa die letzten Gelder, die im Zuge des Elbehochwassers 2013 gespendet worden waren, im Sommer 2021 ausgezahlt.
Neben den enormen Sachschäden, die das Juli-Hochwasser angerichtet hat, gibt es auch solche, die sich nicht mit Geldzahlungen regeln lassen. Viele Betroffene leiden unter den psychischen Folgen des Erlebten: Kinder haben plötzlich Angst, wenn es anfängt zu regnen. Erwachsene berichten von Schlafstörungen, Herzklopfen oder Magen-Darm-Beschwerden. Auch sogenannte „Flash-Backs“, bei denen plötzlich belastende oder verstörende Bilder aus der Flutnacht wieder auftauchen, sind keine Seltenheit.
Entsprechend groß und lang anhaltend ist hier Bedarf an psychologischer Betreuung und Beratung, sagt Silvia Plum von der Caritas in Bad Neuenahr-Ahrweiler. "Wegen dieser sogenannten »Traumafolgestörungen« bleiben wir mit den Betroffenen in Kontakt. Es geht darum, dem Menschen Orientierung zu vermitteln und ihm Planungs-, Entscheidungs- und Bewältigungshilfen an die Hand zu geben.“
Auch in Wuppertal, wo u.a. der Stadtteil Kohlfurth und das Morsbachtal von der Flut getroffen wurden, setzt sich die Diakonie weiter für die Betroffenen ein. Ihr Containerbüro auf dem Gelände der Schützenhalle (Kohlfurther Brücke 79) bleibt noch bis mindestens Ende 2021 bestehen und leistet mittwochs von 16 bis 18 Uhr und freitags von 15 bis 17 Uhr Beratung und Hilfe. Zusätzlich wurde nach den Herbstferien ein Gesprächskreis gegründet. Bärbel Hoffmann, Geschäftsführerin im Bereich Kinder, Jugend, Familie der Diakonie Wuppertal verspricht sich davon einen gemeinsamen Erfahrungsaustausch zwischen den Betroffenen: „Viele Menschen sind ohnehin bereits mit den Arbeiten an ihren Häusern überfordert und müssen sich nun zusätzlich um komplexe Antragsstellungen kümmern.“ Viele dafür notwendige Unterlagen wie z.B. Meldebescheinigungen, seien häufig in den Fluten verloren gegangen und müssten neu beantragt werden.