K. Hagena: "Herzkraft" - Ein Buch über das Singen
Sonntag, 15.05.2022
Der vierte Sonntag nach Ostern fällt in diesem Jahr auf den 15. Mai, und im Kirchenkalender hat er sogar einen eigenen Namen: Kantate. Da steckt Musik drin und das lateinische „Cantate Domino canticum novum“ – „Singt dem Herrn ein neues Lied“.
Die Rolle von Musik und Gesang in der Kirche ist tief in den reformatorischen Gedanken von Martin Luther verwurzelt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Gemeinde durch ihren Gesang aktiv an der Gestaltung der Gottesdienste beteiligt wurde. Luthers Ansicht nach war und ist der Gemeindegesang nicht bloß schmückendes Beiwerk, sondern elementarer Bestandteil der Verkündigung des Wortes Gottes. Sündenbekenntnis, Gotteslob oder die Bitte um Gottes Segen – praktisch alles, was der Liturg während eines Gottesdienstes mit Worten formuliert, wird durch den Gemeindegesang beantwortet und bekräftigt.
Dass Singen zu allen Lebenslagen passt, wusste schon die Bibel. Sie versammelt allein im Buch Psalter 150 Psalmen, die ursprünglich gesungen wurden - vom Morgenlied Davids bis hin zum überschwänglichen Gotteslob. Trauer- und Lobgesänge, festliche Lieder zum Beispiel zu Ostern oder Weihnachten sowie echte Gassenhauer wie die eingedeutschte Version des Cat Stevens-Klassikers "Morning has broken" finden sich zudem auch in jedem Evangelischen Gesangbuch. Wer die Melodien dazu nicht kennt und keine Noten lesen kann, muss trotzdem nicht auf´s Singen verzichten: Das "Projekt Klingendes Gesangbuch" ist eine inzwischen 11teilige Reihe mit Audio-CDs, auf denen Lieder aus dem Ev. Gesangbuch abwechslungsreich instrumentiert sind und zum Mitsingen anregen (vergleichbar mit dem bekannt-beliebten Karaoke). Mehr Infos zu dieser CD-Reihe unter www.klingendesgesangbuch.de
Auf die vielen positiven Wirkungen des Singens macht der aus Kleve stammende Musikpsychologe und Pionier der Singforschung Dr. Karl Adamek immer wieder aufmerksam. Singen, so Adamek, ist Gesundheitserreger und Lebenselexier auf allen Ebenen des Menschseins. Seine empirischen Forschungen wiesen vor einigen Jahren zum ersten Mal weltweit wissenschaftlich die unersetzbare Bedeutung des Singens für die gesunde psychische und physische Entwicklung des Menschen nach. Adamek zeigte u.a., dass Kinder, die singen, besser lernen und friedfertiger sind.
Als praktische Konsequenz initiierte er unter der Schirmherrschaft von Sir Yehudi Menuhin die Gründung des Netzwerkes Il canto del mondo e.V. zur Förderung der Alltagskultur des Singens. Das Singen als Selbstzweck, noch ohne großen künstlerischen Anspruch, einfach aus Spaß an der Freude, müsse vor allem den Kindern wieder von frühester Kindheit an vermittelt werden.
Nach Ansicht von Dr. Karl Adamek ist Singen durch nichts zu ersetzen, denn es versetzt jeden Menschen in die einmalige Lage, gleichzeitig Spieler, Instrument und Zuhörer zu sein: "Singen entfaltet die Persönlichkeit und fördert die körperliche und seelische Gesundheit. Hier ist nicht von den wunderbaren Blüten des Kunstgesanges die Rede. Hier ist das Singen als unsere »Sprache der Seele« gemeint, auch das Singen, »so, wie uns der Schnabel gewachsen ist«, das Singen, mit dem wir zum Beispiel unsere gute Laune verbreiten, unser Aufgehobensein unter Menschen erleben, uns »den Schmerz von der Seele singen« oder Erbauung durch Selbstversenkung finden können", heißt es dazu auf der Homepage von Dr. Adamek.
In dem im Beitrag vorgestellten Buch „Herzkraft. Ein Buch über das Singen“ nähert sich die Autorin Katharina Hagena dem Singen aus vielen unterschiedlichen Richtungen an: von der Literatur über Musik, Physiologie und Soziologie bis hin zur Kulturgeschichte. Auch widmet sie sich u.a den körperlichen Prozessen, die durch das Singen in Gang gesetzt werden: „Beim Singen wird das Belohnungssystem im Gehirn stimuliert und das Glückshormon Oxytocin ausgeschüttet. Durch das Singen werden zudem die Stresshormone im Blut reduziert, und das tiefe Einatmen erhöht die Sauerstoffkonzentration im Blut.“