Karfreitag: „Eine Liebestat, die ihresgleichen sucht“

von Matthias Huttner

Freitag, 07.04.2023

Licht fällt durch bunte Kirchenfenster auf ein Kruzifix
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Auf den Kreuzestod Jesu am Karfreitag fällt schon das erste zarte Licht der Auferstehung am Ostersonntag. (Foto: Pixabay)

Mit seinem Tod am Kreuz nahm Jesus die Sünden der Welt auf sich, um Gott mit den Menschen zu versöhnen – so lautete über Jahrhunderte hinweg die einmütige theologische Interpretation des Karfreitagsgeschehens. In diese Deutung ist jedoch Bewegung gekommen

Der Leidensweg Jesu beginnt am Abend vor seiner Kreuzigung. Während seine Jünger schlafen, betet Jesus einsam im Garten Gethsemane "Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen". Doch noch am gleichen Abend wir er verraten und verhaftet. Es folgt ein Prozess, der selbst damaligen juristischen Maßstäben nicht standhält - Jesus wird gefoltert, verspottet und schließlich ans Kreuz geschlagen, wo er stirbt.

Die theologische Deutung dieses Todes als eine Art „Sühneopfer“ geht wesentlich zurück auf den Mönch und Kirchenlehrer Anselm von Canterbury, der im 10. Jahrhundert in seiner Schrift "Cur Deus homo" ("Warum Gott Mensch wurde") die sogenannte "Satisfaktionstheorie" entwickelte. Ausgangspunkt darin ist die Überlegung, dass Gott als der Herr der Welt Anspruch auf Gehorsam hat. Doch schon der erste Mensch - Adam – verweigert diesen Gehorsam, indem er trotz Verbot vom "Baum der Erkenntnis" isst. Wegen dieser "Erbsünde" sind alle nachfolgenden Menschen Gott gegenüber zu einer Genugtuung verpflichtet, die sie aber nicht dadurch leisten können, indem sie Gottes Gebote befolgen, denn dazu sind sie ja ohnehin verpflichtet.

Die Genugtuung (Satisfaktion) muss demnach in einer Leistung bestehen, die darüber hinausgeht. Dazu ist nur jemand imstande, der zugleich Gott und Mensch ist. Darum musste Gott Mensch werden. Der völlige Gehorsam des Gottmenschen in seinem Erdenleben hat noch keine genugtuende Bedeutung; denn er war ja wie jedes andere vernünftige Wesen Gott Gehorsam schuldig. Aber Christus gab freiwillig sein Leben in den Tod, der keine Strafe für die Sünde war. Das war eine überpflichtige Leistung, die Gott - weil er gerecht ist - belohnen musste. Der Lohn besteht in der Übertragung des Verdienstes Christi auf die Menschen und kommt denen zugute, die an Christus glauben und sein Leben nachahmen (vgl. https://www.heiligenlexikon.de/BiographienA/Anselm_von_Canterbury.htm)

Neben dieser Theorie vom Sühneopfer Jesu werden in jüngster Zeit aber auch neue Deutungen diskutiert. So sagt etwa der Systematiker Dr. Georg Etzelmüller: "Der Tod Jesu hat keine Gottes Zorn beschwichtigende Funktion". Gott sei nicht empfangendes Objekt der Sühneleistung, die Jesus vollzieht. Wenn überhaupt sei Gott Subjekt: Er eröffne den Menschen im Tod Jesu neue Lebensmöglichkeiten.

Die Pfarrerin Elisabeth Nitschke aus Leonberg spricht von einer „Liebestat, die ihresgleichen sucht.“ Jesus zeige damit im Grunde auch, „wie verbindlich er zu seiner eigenen Botschaft steht: Alles was er vorher erzählt hat, gepredigt hat, auch an Wundern getan hat - darauf lässt er sich festnageln.“ Ähnlich sieht das auch der frühere Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider: Gott brauche kein Sühneopfer, "denn es muss ja nicht sein Zorn durch unschuldiges Leiden besänftigt werden“. Jesus sei den Weg ans Kreuz freiwillig gegangen: "Das war ein Selbstopfer.“

Schneider versteht den Tod Jesu als "Ausdruck dafür, dass Gott in Jesus Christus bis zum bitteren Ende des Lebens ganz Mensch blieb, damit wir Menschen uns auch in unseren Todeserfahrungen von Gott begleitet wissen können“. Die Menschen bräuchten die Botschaft vom Kreuz "als Zeichen für Gottes Liebe und Solidarität, als Symbol für das Mitgehen Gottes mit uns durch den Tod hindurch“, sagte Schneider 2009 in einem Interview mit dem evangelischen Monatsmagazin "chrismon plus Rheinland". „Mit Jesu Leiden und Sterben teilt Gott menschliche Leidens- und Todeserfahrungen“, so Nikolaus Schneider. "Das zeugt von seiner Liebe, nicht von seinem Zorn.“ Die Auferstehung Jesu interpretiere das Sterben der Menschen: "Nicht der Tod hat das letzte Wort über mich, sondern das Leben.“

Freitag, 07.04.2023