Karin Fekih: "Ich bin stolz, dass wir ihn haben"
Sonntag, 24.03.2019
Die Zahl der Menschen mit Down-Syndrom lässt sich nur schätzen. Nach Angaben des Deutschen Down Syndrom Infocenters leben weltweit fünf Millionen Menschen mit Down-Syndrom. In Deutschland geht man von 30.000 bis 50.000 aus.
Eigentlich müsste diese Zahl höher liegen, denn das Down-Syndrom ist die bei Neugeborenen häufigste Chromosomenabweichung. Die Wahrscheinlichkeit für eine Down-Schwangerschaft steigt dabei mit dem Alter der werdenden Mutter. Eine dänische Studie aus dem Jahr 2013 geht davon aus, dass auf 700 Geburten ein Fall von Trisomie 21 kommt. In anderen Studien ist von einem Verhältnis von 500:1 die Rede. Doch aufgrund der Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik lässt sich diese Genom-Mutation immer früher und immer genauer erkennen. Die Folge: Von 100 Schwangerschaften, bei denen das Down-Syndrom diagnostiziert wird, werden 90 durch Abtreibung vorzeitig beendet.
In der Vergangenheit waren die medizinischen Verfahren zum vorgeburtlichen Nachweis einer Trisomie 21 körperlich belastend und im Hinblick auf den weiteren Verlauf einer Schwangerschaft nicht ungefährlich. Sowohl die Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) als auch die Plazenta- oder Mutterkuchen-Punktion sind invasive Eingriffe, die mit einem jeweils unterschiedlich hohen Risiko für Fehlgeburten verbunden sind.
Inzwischen wurde jedoch auch eine non-invasive Untersuchungsmethode entwickelt, die praktisch keine körperlichen Gefahren für die Mutter birgt. Mit einem einfachen Test lassen sich heute DNA-Bruchstücke und damit das Erbgut des ungeborenen Kindes im Blut der Mutter nachweisen und untersuchen. "Man kann anhand dieser Bluttests heute feststellen, ob die Trisomie 21, die Trisomie 18, Trisomie 13 vorhanden ist mit einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 95 bis 99 Prozent", so der Diplom-Theologe und Ethiker Matthias Heidrich vom Verein "Donum Vitae" in Köln. Behandelbar seien diese Auffälligkeiten aber nicht.
Nicht nur Behindertenverbände sehen diesen Bluttest kritisch. Auch der Humangenetiker Wolfram Henn sieht auf werdende Mütter einen erheblichen Druck zukommen: "Zum einen wird das Down-Syndrom noch mehr zur Zielscheibe vorgeburtlicher Suchstrategie, was die Akzeptanz geborener Menschen mit Down-Syndrom infrage stellt. Zum anderen erhöht sich der Druck, Pränataldiagnostik mit der Option eines Schwangerschaftsabbruchs in Anspruch zu nehmen. Es fällt immer schwerer, sich aus persönlichen, auch religiösen Gründen vorbehaltlos zu seinem werdenden Kind zu bekennen." (zitiert nach Wikipedia)
Eltern, die gewollt oder ungewollt von einer Behinderung ihres Kindes erfahren, können sich Hilfe holen – zum Beispiel bei Stellen der evangelischen Diakonie, von "ProFamilia" oder von Vereinen wie "Donum Vitae", die alle eine Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten. Die eigens geschulten Mitarbeitenden – so Matthias Heidrich von "Donum Vitae" - würden die Frauen und Paare in ihrer Befindlichkeit und mit ihren Sorgen ernst nehmen. Für die Beratung gelte grundsätzlich: "Man kann das Leben eines Kindes niemals gegen und niemals ohne die Mutter schützen. Und deswegen hat die Beratung ergebnisoffen zu sein, und wir sagen auch: Die Beratung ist allparteilich, weil sie das ungeborene Leben und das geborene Leben in den Blick nimmt: Das Leben des ungeborenen Kindes, aber auch das Leben und die Lebensmöglichkeiten der Frau, des Paares oder der bereits existenten Familie."
Claudia Mühl-Wingen leitet die Evangelische Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität und Pränataldiagnostik der Bonner Diakonie. Die dort angesiedelte "Beratung bei vorgeburtlicher Diagnostik" ist mit rund 300 Fällen pro Jahr die größte der vier Spezialberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen zum Thema. Auf die Frage "Was kann Beratung leisten?" antwortet Claudia Mühl-Wingen: "Sie gibt Menschen einen Reflexionsraum, einen Ausstieg aus der medizinischen Welt, aus dem Diagnoseverfahren. Beratung dient dazu, zu einer lebbaren Entscheidung zu finden", sagt Mühl-Wingen in einem Interview auf der Homepage der Evangelischen Kirche im Rheinland (ekir.de).
"Pränataldiagnostik wurde dazu entwickelt, Leben zu schützen und zu retten." Es gebe zum Beispiel Erkrankungen, die, werden sie nicht entdeckt, ein Todesurteil bedeuten. "Aber wenn man es weiß, reicht eine OP, um dies abzuwenden." Auch Paare, bei denen ein Abbruch ansteht, kommen in die Beratung der Diakonie. "Eine solche Diagnose hat immer etwas Traumatisches. Es ist immer ein Schock", sagt Mühl-Wingen. "Je klarer die Frauen bzw. Paare wissen, was auf sie zukommt, desto besser. Es hilft, dass sie es verkraften." Das ganze Interview mit Claudia Mühl-Wingen finden Sie unter http://www.ekir.de/www/service/muehl-wingen30111.php