Kein Geld, kein Personal: KiTas am Limit

von Carsten Griese

Sonntag, 07.01.2024

Kinder sitzen am Tisch und malen
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Die Kindergärten und Kitas leiden unter Geld- und Personalmangel. Allein in NRW fehlen 110.000 Plätze und 10.000 Erzieherinnen und Erzieher. (Foto: Pixabay)

Allein in den Kindertagesstätten in NRW fehlen derzeit mehr als 10.000 Erzieherinnen und Erzieher. Und es fehlt an Geld: Der Arbeitsausschuss Tageseinrichtungen für Kinder hat ausgerechnet, dass im Kita-Bereich 590 Millionen € zusätzlich benötigt werden.

Diese Entwicklung hängt vor allem damit zusammen, dass es in Deutschland seit 1996 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für jedes Kind im Alter vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt gibt. Per Gesetz wurde dieser Anspruch später noch ausgeweitet. Seit dem 1. August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege – die sogenannte U3-Betreuung für unter Dreijährige.

Während es auf dem Gebiet der ehemaligen DDR mit den „Kinderkrippen“ bereits ein gut ausgebautes KiTa-Angebot gab, hatte der Westen Deutschlands großen Nachholbedarf. Allein in den Jahren 2006 bis 2020 stieg die Zahl der Kindertageseinrichtungen bundesweit um knapp 9.400 auf fast 57.600. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich der pädagogische Personalbestand von 339.000 auf 649.000 und die Zahl der betreuten Kinder von 2,95 Mio. auf 3,75 Mio.

Trotz dieser Anstrengungen klafft nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit immer noch eine große Lücke: Ende November 2023 fehlten bundesweit rund 430.000 Kita-Plätze – davon etwa 385.900 in den westdeutschen Bundesländern und rund 44.700 in Ostdeutschland. Allein in NRW klafft eine Lücke von 110.400 KiTa-Plätzen. Selbst wenn es diese Plätze für Kinder schon gäbe, wäre das Problem damit noch nicht gelöst, denn es fehlt auch das Personal, um diese Kinder zu betreuen.

Nach Angaben des Personaldienstleisters helmeca.de kamen im Jahr 2010 auf 100 offene Stellen im Kita-Sektor noch 153 Erzieher*innnen, die nach Arbeit suchten. „Mittlerweile hat sich dies umgekehrt. Auf 100 offene Stellen im Kitabereich entfielen im Jahr 2021 gerade mal 79 arbeitssuchende Erzieher und Erzieherinnen. Heißt: Selbst wenn die Kitas alle Erzieher einstellen könnten, die auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind, wäre der Personalmangel nicht gedeckt.“

Die Folgen der Personalknappheit sind enorm: "Schätzungsweise 9000 Kitas in Deutschland haben im Jahr 2021 in über der Hälfte der Zeit in aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckung gearbeitet“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung. 50 % der Kita-Leitungen geben an, dass sie ihre Kapazitäten nicht nutzen können, weil ihnen die Fachkräfte fehlen. 90% aller Kitas schieben Überstunden, um eine angemessene Betreuung der Kinder sicherzustellen. Weil in den Personalschlüsseln Ausfallzeiten der Mitarbeitenden (z.B. durch Krankheit) nicht ausreichend berücksichtigt sind, verzeichnen 85% der Kitas bei Ausfällen sofort extreme Engpässe.

Für die Kinder bedeutet das u.U. ständig wechselnde Bezugspersonen in der Betreuung durch den Einsatz von sogenannten „Springern“. KiTas, wie keinen Ersatz besorgen können, müssen ihre Betreuungszeiten einschränken, manche sogar tageweise ganz schließen. Das wiederum trifft auch die Eltern, die auf verlässliche Betreuungszeiten angewiesen sind, um arbeiten gehen zu können.

Neben der angespannten Personalsituation bereitet vor allen Dingen den freien KiTa-Trägern auch die aktuelle Finanzlage ihrer Einrichtungen große Sorgen. Der Großteil der Personal- und Sachkosten wird zwar durch Gelder der Länder und Kommunen refinanziert, einen Teil (je nach Träger und Land zwischen fünf und 30 Prozent) müssen sie aber selbst schultern. Die in jüngster Zeit durch die Inflation deutlich gestiegenen Energie- und Lohnkosten haben zuletzt für höhere Ausgaben gesorgt, während die entsprechenden staatlichen Zuschüsse in der Regel erst mit einem Jahr Verzögerung angepasst werden. Das bringt viele Einrichtungen aktuell in finanzielle Schwierigkeiten, zumal sie aus rechtlichen Gründen für diese Zwecke in der Vergangenheit keine Rücklagen bilden durften. Nach Schätzung der Freien Wohlfahrtspflege fehlen der sozialen Infrastruktur in NRW mindestens 500 Millionen Euro zusätzlich, während das Land für den kommenden Haushalt lediglich 100 Millionen Euro zusätzlich beschlossen habe. Allein bei den Kitas seien zehn Prozent und damit rund 1.000 Einrichtungen in ihrem Bestehen bedroht. Die finanzielle Unsicherheit wirkt sich außerdem negativ auf die Personalsituation aus. Viele Einrichtungen können ihren Angestellten nur befristete Verträge anbieten, was die Attraktivität des Erzieherberufes nicht gerade steigert.

Von den etwa 10.000 Kindertagesstätten In Nordrhein-Westfalen befinden sich rund 8.600 in Trägerschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, werden also von Caritas/kath. Kirche (25%), Diakonie/ev. Kirche (16%), AWO oder Rotem Kreuz betrieben. Bundesweit betrachtet unterhalten die evangelische und die katholische Kirche zusammen knapp 50 Prozent aller gut 40.000 Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft: In evangelischer Trägerschaft befinden sich (Stand März 2023) rund 9.385 Kitas mit etwa 540.000 Kindern, auf katholischer Seite sind es 9.407 Einrichtungen mit 633.830 Plätzen. Rechnet man die knapp 20.000 KiTas unter öffentlicher Trägerschaft (z.B. Kommunen) hinzu, gibt es deutschlandweit gut 60.000 Kindertageseinrichtungen.

An der Finanzierung konfessioneller Kindergärten und Kitas sind neben den Eltern (Elternbeiträge) auch Länder/Kommunen sowie die jeweiligen Kirchen als Träger beteiligt. Die EKD schreibt dazu auf ihrer Website kirchenfinanzen.de: „Je nach Bundesland variiert die Finanzierungsform und kann sogar von Kommune zu Kommune unterschiedlich geregelt sein. Der Anteil der Kirchen an der Finanzierung beträgt deshalb zwischen 5 Prozent und 30 Prozent (Betriebs- und Unterhaltungskosten). Da die Träger für die Einrichtungen viel Zeit und Arbeitskraft aufwenden, etwa durch die kirchenrechtlich vorgeschriebene Mitwirkung von Pfarrern, Kirchenvorständen und anderen Mitarbeitern, ist der faktische Aufwand für die Kirchen sehr viel höher; das ist gewollt. Grundsätzlich werden auch in kirchlichen Kindertagesstätten Kinder aus Familien mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit aufgenommen. Alle Kindertagesstätten unterliegen der Aufsicht der Landesjugendämter. Daneben gibt es auch eine kirchliche Aufsicht. Zwischen dem Träger der Kindertagesstätte und den Eltern besteht in der Regel ein privatrechtlicher Vertrag. Über Elternbeiräte, Kindergartenausschüsse und vergleichbare Gremien ist den Eltern eine qualifizierte Mitwirkung bei der Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder möglich.“

Sonntag, 07.01.2024